Immer wieder sieht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland Kritik ausgesetzt. Nun hat es den angesehenen Radiosender «Deutschlandfunk» erwischt!
Jeden Montagvormittag steht im «Deutschlandfunk» das Streitgesprächsformat «Kontrovers» auf dem Programm. «Viele Hörerinnen und Hörer, drei Gesprächsgäste, ein/e Moderator/in: In ‹Kontrovers› prallen viele Meinungen zu einem Thema aufeinander», so beschreibt der öffentlich-rechtliche deutsche Radiosender das einstündige Format. Und weiter: «Der Moderator sorgt dafür, dass möglichst nur eine/r spricht. Streitkultur ist Teil von ‹Kontrovers›.»
Am vergangenen Montag wurde allerdings eine Grenze überschritten. Ein Hörer wünschte sich in der Sendung den brutalen Tod des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45). Besonders brisant: Das aus dem Rahmen fallende Zitat war nicht live ausgesprochen, sondern zuvor aufgezeichnet und somit offensichtlich von der Redaktion herausgesucht worden. Das teilte der «Deutschlandfunk» gegenüber «Bild» mit.
«Deutschlandfunk»-Ausschnitt landet im Netz
«Wie kann Russlands Angriffskrieg beendet werden?», lautete die Sendungsfrage am Montag. Ein Herr «Fischer aus Bremerhaven» forderte in seiner Antwort den ukrainischen Präsidenten, den er mit einem Schmähbegriff versah, zu verhaften, vierzuteilen und zu enthaupten. So könne man den Ukraine-Krieg «ganz einfach» beenden.
Nun ist man beim «Deutschlandfunk» nach dem Eklat um Schadensbegrenzung bemüht. «In der Sendung vom 21. August wurde innerhalb einer Collage eine 15-sekündige drastische Höreräusserung wiedergegeben», teilt der Sender gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mit. Der Ausschnitt landete wenige Stunden nach Sendungsende auch auf Twitter.
Passage herausgeschnitten
Im sozialen Netzwerk fragte eine Nutzerin kritisch nach. Fast 400'000-mal wurde der Beitrag inzwischen angezeigt, sammelte rund 2000 Likes. «Sollte das einen Beitrag zur Meinungsbildung darstellen? Was hat die Redaktion dazu bewegt, diesen Aufruf zu einer Straftat auch noch zu veröffentlichen? Warum wurde das im Verlauf der Sendung nicht mal eingeordnet, kommentiert oder klar zurückgewiesen?», schrieb Lena Berger. Die Antwort von der Social-Media-Redaktion des «Deutschlandfunks» liess nicht lange auf sich warten. «Die zuständige Redaktion hat über die Aussage des Hörers diskutiert und ist zu dem Schluss gekommen, sie nicht weiterzuverbreiten», heisst es.
Die entsprechende Passage ist in der Audiothek des Senders inzwischen herausgeschnitten worden. In einem Korrekturportal hiess es zunächst «Wir haben das Audio an einer Stelle korrigiert», inzwischen ist dort zu lesen: «Wir rufen nicht zu Hass und Hetze auf und verbreiten keine Höreraussagen, die das tun».
Jurist will Anzeige erstatten
Es handele sich «eindeutig um einen Fehler eines erfahrenen Redaktionsteams, den wir sehr bedauern», ergänzte der Sender gegenüber «Bild». Gewaltaufrufe würden nicht in das Programm des «Deutschlandfunks» passen und stellten keine legitime Meinungsäusserung dar. Man will nun aufarbeiten, «wie es zu diesem Fehler kommen konnte».
Der Anwalt Patrick Heinemann will jetzt Strafanzeige stellen – «sowohl gegen den Hörer als auch gegen die Redaktion». Als Straftatbestände kämen gleich mehrere Vergehen in Betracht: Gewaltdarstellung, Volksverhetzung oder Beihilfe zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch, bei seiner Behörde sei noch keine Strafanzeige zu der Angelegenheit bekannt. (nad)