Die SRG stand in der Vergangenheit schön öfters unter Beschuss. Zu linkslastig, zu staatsnah, zu wenig kritisch. Vor allem von rechter Seite haben sich die Angriffe gegen das grösste Schweizer Medienunternehmen mit seinen vier Spartensendern SRF, RTS, RSI und RTR, über die Jahre intensiviert. 2018 scheiterte die No-Billag Initiative an der Urne zwar deutlich, doch nun steht schon wieder eine neue Initiative in den Startlöchern.
«200 Franken sind genug» – unter diesem Slogan präsentierte im März 2022 ein rechtsbürgerliches Komitee eine neue Volksinitiative zur Beschneidung der SRG. Die Initiative hat zum Ziel, Radio- und Fernsehgebühren von 335 Franken pro Haushalt und Jahr auf maximal 200 Franken zu beschränken. Unternehmen und Gewerbebetriebe sollen gänzlich von der SRG-Abgabe befreit werden.
SRG-Chef Marchand warnt vor Budgetkürzungen
Abgestimmt wird zwar erst in einigen Jahren, dennoch versucht SRG-Generaldirektor Giles Marchand (60) bereits jetzt jegliche Zweifel an der angeblich so wichtigen Stellung der SRG zu verwischen. Bei einem Ja würde sich das Budget der SRG halbieren, nämlich auf 700 bis 750 Millionen Franken, sagte Marchand in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» vom Samstag (Blick berichtete). «Es würde auch sehr bedeutende Arbeitsplatzverluste geben», so Marchand weiter. Ob die mahnenden Worte des Generaldirektors bei der Schweizer Bevölkerung einen Einfluss haben werden, wird sich noch zeigen.
In einer Blick-Umfrage stellen sich rund 80% der Leser gegen Marchand – und sind für eine Deckelung bei 200 Franken.
Auffallend ist: Nicht nur der schweizerische öffentliche Rundfunk wird immer wieder kritisch beäugt, auch über die Landesgrenzen hinaus scheinen die einst so stolzen TV- und Radioanstalten immer mehr zu kriseln.
Deutschland: Zahlungsverweigerung
Deutschland besitzt gleich vier öffentlich-rechtliche Sender: ARD (mit seinen neun Landesrundfunkanstalten), ZDF, Deutschlandfunk und den Auslandsrundfunk DW. Ungefähr 8,42 Milliarden Euro beträgt ihr jährliches Budget. Finanziert wird das, wie in der Schweiz, über den Rundfunkbeitrag von derzeit 18,36 Euro im Monat, den jeder deutsche Haushalt abzugeben hat, und zwar unabhängig davon, ob die Sender überhaupt konsumiert werden.
Unumstritten ist dieses Modell aber schon längst nicht mehr. Wie hierzulande, stammen auch in Deutschland die meisten Attacken aus dem rechtsbürgerlichen bis rechten Spektrum. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz (67) kündigte in einem Interview mit dem Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (42) an, dass er künftig keinen Rundfunkbeitrag mehr zahlen werde. «Ich habe seit längerem die Zahlungen eingestellt», so Vaatz.
Als Grund nennt er die Äusserungen von ZDF-Satirikerin Sarah Bosetti (38). Diese hatte in ihrem Format «Bosetti will reden», auf dem Höhepunkt der Corona-Lage, in Richtung der Massnahmen-Gegner gesagt: «Eigentlich sitzen die, die die Gesellschaft spalten wollen, ziemlich weit rechts und ziemlich weit unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes. Wenn er sich entzündet, schreit er laut auf und nervt.»
Auch Reichelt selbst hat angekündigt, den Beitrag nicht mehr zu bezahlen – aus «Gewissensgründen». Reichelt führt drei Punkte auf: «Erstens finanziert der Rundfunkbeitrag Antisemitismus. Zweitens finanziert er Gewaltverherrlichung gegen Exponenten des Staates. Und drittens finanziert er ein System, das keine ausreichende innere Meinungsfreiheit zulässt.» Reichelt erklärt auf Youtube, die Zahlungsverweigerung durchzuziehen «egal was man mir androht».
Doch auch im Rest der Bevölkerung scheint der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner jetzigen Form an Unterstützung zu verlieren.
Eine Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts «Ipsos» vom November 2022 zeigt nun, dass offenbar nur eine Minderheit der Deutschen dafür ist, dass das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in seiner aktuellen Form weiterbesteht. Knapp 30 Prozent sprechen sich dafür aus, dass ARD und ZDF wie bisher je ein eigenständiges Fernseh- und Online-Programm bereitstellen sollen. 35 Prozent würden hingegen eine Zusammenlegung der beiden Sender begrüssen. Weitere 35 Prozent sind für eine vollständige Abschaffung des öffentlichen Rundfunks in Deutschland.
Frankreich: Steuern statt Rundfunkbeitrag
Auch Frankreich verfügt mit den Fernsehsendern von «France télévisions» und den Radioprogrammen von «Radio France» über einen öffentlichen Rundfunk. Doch auch dieser steht vor ungewissen Zeiten. Bis zum vergangenen Sommer finanzierten sich diese Sender mit einer jährlichen Medienabgabe von 138 Euro, die jeder Haushalt zu zahlen hatte. Das spülte den Öffentlich-Rechtlichen jedes Jahr vier Milliarden Euro in die Kassen.
Im vergangenen Juni kündigte Präsident Macron (44) dann an, dass der Rundfunkbeitrag abgeschafft werde. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks solle zwar auch künftig sichergestellt werden, allerdings könnte dieser künftig über ein Budget im Staatshaushalt finanziert werden. Die Bürger würden so mit ihren Steuern den Rundfunk weiter mitfinanzieren, wenn auch nur indirekt.
Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Rundfunkabgabe sahen sich bestätigt. Macrons Entscheid hat aber auch viel Kritik hervorgerufen. Anhänger der Rundfunkabgabe verweisen auf die Gefahr, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dadurch in die Abhängigkeit der Politik gerate. Die Politik könne dann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziell unter Druck setzen und so beeinflussen.
Grossbritannien: Suche nach neuem Finanzierungsmodell
Grossbritannien gilt als Schöpfer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im Jahr 1922 gegründet, entwickelte sich die BBC im Zweiten Weltkrieg zu einer der wichtigsten Informationsquellen der Weltöffentlichkeit. Zwar wird das Angebot der BBC auch heute noch von Millionen Menschen weltweit konsumiert. Doch über die Jahre hat auch im britischen Medienmarkt die Konkurrenz zugenommen, was dazu führte, dass die BBC ihre einst unangefochtene Stellung inzwischen verloren hat.
Konservativen und rechten Kreisen ist die BBC schon länger ein Dorn im Auge. Vielen gilt sie als zu linkslastig. Der Brexit-Befürworter und Kommentator Nigel Farage (58) bezeichnete 2019 die BBC in einem Interview als «Feind». Ein Teil der britischen Bevölkerung störte sich zudem auch an der Berichterstattung über die Brexit-Abstimmung, die ihrer Meinung nach vor allem zugunsten der Brexit-Gegner ausgefallen sei.
159 Pfund pro Jahr zahlen Britinnen und Briten an den öffentlichen Rundfunk. Doch dieser bangt um seine Zukunft. Anfang 2022 verkündigte die damalige Kulturministerin im Kabinett von Boris Johnson (58), Nadine Dorries (65), den Rundfunkbeitrag für die BBC ab 2027 abzuschaffen und neue Finanzierungsmodelle für die BBC zu suchen. Immerhin: Der damalige Finanzminister und heutige Premierminister Rishi Sunak (42) sei laut eines Berichts der «Financial Times» damals gegen diesen Plan gewesen. Die Diskussionen um die Zukunft der BBC dürften aber dennoch nicht abnehmen. (ced)