Nun lenken die Republikaner möglicherweise doch ein. Wohl am Samstag wird nach dem US-Senat auch das Repräsentantenhaus über das Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine abstimmen. Dass es überhaupt zu dieser Abstimmung kommt, ist Donald Trump (77) zu verdanken, der eigentlich «keinen Penny» für den Ukrainekrieg mehr ausgeben wollte. Trump und Selenski waren bisher keine Freunde – kommt es nun zu einer Annäherung? Und ist es für die Ukraine nicht bereits zu spät?
Der Meinungswandel ist auch auf den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson (52), zurückzuführen. Dieser hatte sich öffentlichkeitswirksam in Florida die Unterstützung Trumps geholt. Der republikanische Präsidentschaftskandidat sagte Ende vergangener Woche, Johnson mache unter schwierigen Umständen eine «sehr gute Arbeit».
Die Ukraine muss zurückzahlen
Claudia Brühwiler (41), USA-Expertin an der Uni St. Gallen, erklärt: «Johnson hat beschlossen, das Gesetzespaket fünfzuteilen. So können die Abgeordneten separat über die Hilfe für die Ukraine, Israel und die Partner im Indo-Pazifik sowie über die Grenzsicherung und andere aussenpolitische Massnahmen abstimmen.»
Allein für die Ukraine ist eine Unterstützung von 61 Milliarden Dollar vorgesehen. Neu ist, dass 10 Milliarden dieses Betrags in Form eines Darlehens erfolgen, damit das Geld wieder zurückfliesst. Der Republikaner Johnson will so jene Hardliner in seiner Partei umstimmen, die die Hilfen kritisiert oder gar abgelehnt hatten.
Mit seinem Vorgehen setzt Johnson allerdings seinen Job aufs Spiel. Denn unter den Republikanern im Repräsentantenhaus herrscht ein massiver parteiinterner Streit. Mike Johnson steht unter Beschuss von Hardlinern wie Marjorie Taylor Greene (49) aus Georgia, die ihn des Amtes entheben wollen, wenn er über die Ukraine-Hilfe abstimmen lässt. Brühwiler: «Da Johnson gegenüber Trump loyal war und ist, erhält er nun dessen Unterstützung.»
Neue Raketen und EU-Hilfe
Claudia Brühwiler rechnet damit, dass der Ukraine-Hilfe grünes Licht erteilt wird. In diesem Fall bekäme die ukrainische Armee neuen Rückenwind. Denn nebst der finanziellen Hilfe will US-Präsident Joe Biden (81) so bald wie möglich Raketensysteme des Typs ATACMS zur Verfügung stellen. Diese Raketen, die eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben und pro Stück zwischen 0,8 und 1,7 Millionen Dollar kosten, werden vor allem für den Angriff auf russische Truppen weit hinter der Kriegsfront eingesetzt.
Auch die EU stellt weitere militärische Hilfe in Aussicht. Es ist zu erwarten, dass innerhalb der kommenden Wochen Zusagen für Munition und weitere Luftverteidigungssysteme erfolgen werden. Die westliche Hilfe ist dringend nötig. Am Mittwoch tötete ein russischer Raketenangriff auf die nordukrainische Stadt Tschernihiw 17 Menschen, rund 60 wurden verletzt.
Hilfe reicht nicht weit
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) ärgerte sich vor wenigen Tagen über die zögerliche Hilfe aus dem Westen und verwies auf die Raketenabwehr des iranischen Angriffs auf Israel in der Nacht auf Sonntag, bei der die USA und Grossbritannien Israel Hilfe leisteten. Selenski sagte: «Unser ukrainischer Himmel und der Himmel über unseren Nachbarn verdient die gleiche Sicherheit.» Nun dürfte Selenski aufatmen.
Doch kann die Ukraine mit dieser Hilfe das Blatt an der Front wieder zu ihren Gunsten wenden? Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von Euro Defense Deutschland, warnt vor Euphorie. «Damit wird der Ukraine nur begrenzt geholfen, da sie sich bereits in einer prekären Lage befindet.» Laut ihm zeichnet sich in den USA eine neue Strategie ab – jene der Schadensbegrenzung. «Dafür reichen die verfügbaren Mittel – zu mehr aber kaum», meint Thiele.