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Ehemaliger Trump-Berater John Bolton
«Die Schweiz sollte der Nato beitreten»

Der republikanische Spitzendiplomat John Bolton beriet Donald Trump in Sicherheitsfragen. Im Interview sagt er, worauf sich Europa jetzt einstellen muss, warum er Trump für gefährlich hält – und was er der Schweiz rät.
Publiziert: 00:02 Uhr
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John Bolton war Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • John Bolton warnt vor Schaden für transatlantische Beziehungen
  • Er rät: Europäische Staats- und Regierungschefs sollten mehr Zeit mit Trump verbringen
  • Die Ukraine sei durch die Wahl Trumps in Gefahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

SonntagsBlick: Botschafter Bolton, Donald Trump ist wieder an der Macht. Worauf müssen wir uns einstellen?
John Bolton:
Trump wird dort weitermachen, wo er vor vier Jahren aufgehört hat. In seiner ersten Amtszeit richtete er viel Schaden an. Die zweite dürfte noch schlimmer werden. Jetzt will Trump alle seine radikalen Ideen verwirklichen.

Was bedeutet das für Europa?
Nichts Gutes. Das transatlantische Verhältnis wird auf eine harte Probe gestellt – einerseits wirtschaftlich, andererseits militärisch. Trump hat neue Zölle von bis zu 20 Prozent für Importe aus Europa angekündigt. Die EU sollte sich darauf vorbereiten – was sie auch tut, wie ich höre. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist ein Handelskrieg, der sich negativ auf die Weltwirtschaft auswirkt.

Und militärisch?
Trump könnte sich schon bald von der Nato abwenden. Das wäre ein schrecklicher Fehler und eine Katastrophe nicht nur für Europa, sondern auch für die Vereinigten Staaten.

Sie halten einen US-Austritt aus der Nato für realistisch?
Natürlich. Ich war 2018 mit Trump auf dem Nato-Gipfel in Brüssel. Damals war er kurz davor, das zu tun. Er will die Nato verlassen. Je nach Verlauf des Kriegs in der Ukraine könnte er es diesmal durchziehen. Sie müssen wissen: Trump tut nur, was ihm seiner Meinung nach am meisten nützt. Er versteht nicht, was gemeinsame Verteidigung bedeutet. Er glaubt, dass die Vereinigten Staaten Europa verteidigen, ohne dafür bezahlt zu werden.

Ganz unrecht hat Trump damit nicht: Die USA zahlen im Verhältnis noch immer deutlich mehr an die Nato als die meisten Länder Europas.
Auch ich fordere unsere europäischen Partner dazu auf, mehr für die Verteidigung auszugeben. Für mich ist aber klar, dass die Nato ein wichtiges und vor allem ein funktionierendes Bündnis ist, das allen Mitgliedern mehr Sicherheit bringt – auch der USA.

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Welchen Rat würden Sie europäischen Staats- und Regierungschefs im Umgang mit Trump geben?
Investiert mehr Zeit, um die Beziehung zu Trump zu verbessern. Der Staatschef, der in Trumps erster Amtszeit den grössten Einfluss auf ihn hatte, war der japanische Premierminister Shinzo Abe. Er hat unzählige Stunden mit Trump telefoniert und sich mit ihm zum Golfspielen verabredet. Und noch einen Tipp hätte ich ...

Bitte!
Erklären Sie Trump stets, weshalb Ihr Anliegen ihm selbst einen persönlichen Vorteil bringt. Nehmen wir die Nato: Argumentieren Sie nicht mit der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten und schon gar nicht mit der Sicherheit Europas. Donald Trump interessiert einzig und allein, was ihn selbst gut aussehen lässt.

Haben Sie auch einen Rat für die Schweiz?
Die Schweiz sollte der Nato beitreten. Ich will mich nicht in Ihre politischen Debatten einmischen, aber ich glaube wirklich, das wäre das Beste. Die Neutralität hat angesichts der neuen geopolitischen Lage keine Zukunft. Auch Schweden und Finnland gaben ihre Neutralität auf, weil sie erkannten, dass sie nur hinter der Nato-Grenze sicher sind.

Beide Länder grenzen an Russland. Der Nato-Beitritt war eine Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine.
Nicht nur. Es zeichnet sich eine grössere Spaltung ab. Ich behaupte, wir haben es mit einer neuen Achse China-Russland zu tun, wie beim chinesisch-sowjetischen Bündnis im Kalten Krieg. Nur dass diesmal China der dominierende Partner ist.

Persönlich: John Bolton

John Robert Bolton (75) aus Baltimore, Maryland, studierte internationales Recht an der Yale-Universität. Bill und Hillary Clinton waren dort seine Kommilitonen. In seiner langen politischen Karriere diente er unter den Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior, ab 2005 als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen. 2018 ernannte ihn Donald Trump zu seinem Nationalen Sicherheitsberater. Von diesem Posten trat Bolton im September 2019 zurück, nachdem es zum Bruch zwischen ihm und Trump gekommen war. Der neokonservative Republikaner gilt als Architekt des Irakkriegs und als eine der einflussreichsten Stimmen in der US-Aussenpolitik des 21. Jahrhunderts.

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John Robert Bolton (75) aus Baltimore, Maryland, studierte internationales Recht an der Yale-Universität. Bill und Hillary Clinton waren dort seine Kommilitonen. In seiner langen politischen Karriere diente er unter den Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior, ab 2005 als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen. 2018 ernannte ihn Donald Trump zu seinem Nationalen Sicherheitsberater. Von diesem Posten trat Bolton im September 2019 zurück, nachdem es zum Bruch zwischen ihm und Trump gekommen war. Der neokonservative Republikaner gilt als Architekt des Irakkriegs und als eine der einflussreichsten Stimmen in der US-Aussenpolitik des 21. Jahrhunderts.

Welche China-Politik erwarten Sie von Trump? Am Mittwoch nominierte er den republikanischen Abgeordneten Mike Waltz als nationalen Sicherheitsberater – dieses Amt hatten auch Sie unter Trump inne. Waltz gilt als dezidierter China-Kritiker.
Im Moment ist Trumps Rhetorik extrem Peking-feindlich. Er glaubt, China habe ihm mit Covid die Wahl 2020 vermasselt. Er hat da sogar einen Punkt: Bis 2020 lief die US-Wirtschaft rund, dann geriet sie aufgrund der Pandemie wie in allen anderen Ländern in eine Krise. Hätte es Covid nicht gegeben, wäre Trump vielleicht wiedergewählt worden.

Auch hier: Trumps Politik ist geprägt von persönlichen Interessen.
Genau. Und die können schnell ändern. Zum Beispiel, wenn Chinas Präsident Xi Jinping ihn anruft und sagt: Lass uns zusammenarbeiten und das beste Handelsabkommen der Geschichte schliessen! Noch vor kurzer Zeit wollte Trump die chinesische App Tiktok verbieten. Jetzt kämpft er plötzlich gegen ein Verbot. Wenn jemand beim Thema China solche 180-Grad-Wendungen vollzieht, dann wird er das auch in anderen Bereichen tun. 

Trump ist unberechenbar.
Nicht nur das. Der wirklich grundlegende Punkt ist, dass Trump keine Haltung hat, keine politische Philosophie. Er macht nicht Politik, so wie wir diesen Begriff verstehen. Er trifft Entscheidungen einzig nach der Massgabe, ob es ihm gerade nützt.

Widersprüchliche Signale sendete Trump bisher beim Thema Ukraine aus. Welchen Kurs wird er einschlagen?
Er hat versprochen, den Krieg zu beenden. Unter welchen Bedingungen ist ihm egal. Für die Ukraine sind das keine guten Nachrichten.

Können Sie das ausführen?
Es geistern schon länger Pläne aus Trumps Umfeld herum, über die auch der künftige Vizepräsident J.D. Vance gesprochen hat: Die Konfliktlinie in der Ukraine soll eingefroren werden und Russland alles behalten, was es kontrolliert. Die Ukraine müsste ausserdem zusichern, der Nato auf lange Zeit nicht beizutreten. Im Gegenzug erhält die Ukraine weiterhin Waffenhilfe der USA. Das ist ein Plan, den sie genauso gut in Moskau hätten schreiben können.

Wie schätzen Sie Trumps Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin ein?
Ich glaube, Trump denkt, er habe ein freundschaftliches Verhältnis zu Putin. Er ist fasziniert von Autokraten, von angeblich starken Männern. Putin wird das ausnutzen.

Wie könnte das konkret aussehen?
Trump hat immer wieder versprochen, er werde den ukrainischen Präsidenten Selenski und Putin in einen Raum bringen und den Ukraine-Konflikt innerhalb von 24 Stunden lösen. Das ist natürlich lächerlich und wird nicht geschehen. Darum braucht er einen Schuldigen. Er selbst ist ja in seinen Augen unfehlbar. Also bleiben ihm nun zwei Möglichkeiten: Er kann das Scheitern entweder Putin anhängen – oder Selenski. An diesem Punkt wird Putin auf Trump einwirken und die angebliche Freundschaft der beiden betonen. So, dass Trump am Ende Selenski die Schuld gibt und die US-Waffenhilfe an die Ukraine einstellt.

Ein weiterer Krisenherd ist der Nahe Osten. Was wird sich dort ändern?
Auch diesen Krieg will Trump schnell vom Tisch haben. Möglichst bis zu seinem Amtsantritt am 20. Januar. Realistisch ist das kaum, wir sehen aber, dass Trump bereits daran arbeitet: Er soll seit seiner Wahl dreimal mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu telefoniert haben. Letzte Woche war Israels Sicherheitsminister Ron Dermer zu Besuch bei Trump in Mar-a-Lago. Niemand kann zum heutigen Zeitpunkt voraussagen, wie sich die Situation entwickeln wird. Klar ist nur, dass Trump am liebsten nichts mit den Geschehnissen im Nahen Osten zu tun hätte. Er hat ja auch genug innenpolitische Probleme. 

Was werden Trumps erste Schritte nach dem Amtsantritt sein?
Die Eindämmung der Einwanderung über die mexikanische Grenze wird für ihn oberste Priorität haben. Dann die Zölle. Seine Agenda ist ehrgeizig, und seine Ernennungen von Gefolgsleuten für Regierungsposten in den letzten Tagen deuten darauf hin, dass Trump sein Programm radikal und in hohem Tempo durchziehen wird. 

Haben Sie Angst um Amerikas Demokratie?
Nein. Ich halte es für übertrieben, wenn gesagt wird, Trump sei eine existenzielle Gefahr für die Demokratie. Die Verfassung ist stark. Die Institutionen sind stark. Die meisten Menschen haben noch immer Vertrauen in die Regierung. Ich glaube, dass Trump viel Schaden anrichten wird, möglicherweise auch irreparablen. Aber er ist – das hoffe ich zumindest – keine ernsthafte Bedrohung für die Freiheit unseres Landes.

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