In der Haut von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (66) will aktuell niemand stecken: Laut neuesten Umfragen ist er der unbeliebteste Kanzler aller Zeiten. Und das kurz vor den Neuwahlen im Februar! Der schwache Scholz will aber trotzdem antreten. Und bringt seine Partei damit in ein Dilemma. Denn es gäbe andere SPD-Kandidaten, die viel beliebter wären als der aktuelle Kanzler.
Doch ganz getreu dem Motto «Morgen, morgen, nur nicht heute...» schieben die Genossen die unangenehme Entscheidung – Scholz absägen oder nicht – vor sich her. Und rasen damit immer schneller Richtung Abgrund. Ist die SPD schon krachend gescheitert, bevor das Rennen überhaupt gestartet ist?
Die Lage der SPD scheint tatsächlich aussichtslos. Seit Anfang November quält sie sich mit der Frage herum, wen sie bei den Neuwahlen im Februar als Kanzlerkandidaten auf den Wahlzetteln sehen will. Und wenn man sich die Optionen der Partei mal genauer anschaut, ist das Zögern auch nachvollziehbar. Denn beide mögliche Kandidaten – Kanzler Olaf Scholz (66) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (64) sind... suboptimal.
Pistorius ist laut aktuellen Insa-Umfragen der beliebteste Politiker Deutschlands, auf der Beliebtheitsskala räumt er 52,8 von 100 Punkten ab. Andere Umfragen zeigen, dass ein Grossteil der Bevölkerung Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten sehen will. Ob der SPD mit Pistorius im Februar ein Sieg gelingen könnte, bleibt fraglich – die Partei ist zu angeschlagen. Aber zumindest gäbe es die Hoffnung, nicht total zu versagen. So weit, so gut. Das Problem: In einem Interview mit dem ZDF machte Pistorius klar, dass er eigentlich gar keine Lust auf das Kanzleramt hat. «Das muss nicht sein», meinte er. «Es passt nicht in meine Lebensplanung.»
Bleibt der SPD also wirklich nur die Option, weiterzumachen wie bisher? Für die Partei wäre das wohl fatal: Scholz befindet sich laut Insa-Umfrage am anderen Ende der Skala – auf dem 20. und letzten Platz der Liste. Eine aktuelle ARD-Umfrage zeigt, dass 81 Prozent der Deutschen unzufrieden mit ihrem Kanzler sind. Das macht Scholz zum unbeliebtesten Kanzler der deutschen Geschichte. Trotzdem beharrt er auf einer zweiten Chance. Ihn daran zu hindern, könnte einem Putsch gleichkommen. Ihn nicht daran zu hindern, könnte für die Sozialdemokraten im Februar in einer happigen Niederlage enden.
Kopf in den Sand stecken bringt nichts
Was aber auch zu einer schweren Niederlage führen könnte: die Kanzlerfrage noch weiter hinauszuschieben. Am 30. November will die Partei die Wahlsiegkonferenz – den offiziellen Beginn ihres Wahlkampfs – abhalten, dort soll der Kanzlerkandidat seinen ersten grossen Auftritt haben. Und auch wenn es bis zu den Neuwahlen im internationalen Vergleich mit drei Monaten noch ziemlich lange hin ist, ist es wahlkampftechnisch ein sehr kurzes Zeitfenster. Je länger die SPD also den Kopf in den Sand steckt, desto weniger Zeit hat sie für den tatsächlichen Wahlkampf – desto miserabler stehen ihre Chancen auf ein akzeptables Ergebnis. Egal, wer am Ende Kanzlerkandidat wird.
Langsam kommt aber Bewegung in die Sache: Laut Medienberichten, unter anderem bei «ZDF» und «Spiegel» heisst es, dass sich die Parteispitze noch vor Montag entscheiden will. Dann tagen die obersten SPDler und das Präsidium nämlich. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin irgendetwas klar ist. Zuvor hiess es auch, dass sich die SPD bis vergangenen Dienstag entscheiden wollte. Passiert ist nichts.
Macht Scholz den Biden?
Du erlebst gerade ein Déjà-vu? Genau, das alles klingt wie die Zeitraffer-Version des Wahlkampfs der US-Demokraten vor wenigen Monaten. Damals weigerte sich Joe Biden (82), trotz schwerwiegender Bedenken über seine Gesundheit und Beliebtheit, den Platz für geeignete Kandidaten freizumachen. Erst kurz vor dem Parteitag der Demokraten sah er es ein.
Klar, es gibt grosse Unterschiede zwischen Biden und Scholz: Die Schwächen von Scholz sind nicht so offensichtlich wie die von Biden, gesundheitlich ist der SPD-Mann auch um einiges besser dran. Aber – und es ist ein grosses Aber: Demokratische Schwergewichte wie die Obamas überzeugten Biden schlussendlich von einem Rückzug – wenn auch viel zu spät. Es bleibt fraglich, ob die SPD das gleiche für Scholz tun wird.