Der französische Präsident Emmanuel Macron (46) hält eine Entsendung von Soldaten aus Nato-Ländern in die Ukraine für eine Möglichkeit, die Russen zurückzudrängen. Ist ein solcher Einsatz schon im Gange? Der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski (61) sagte jedenfalls am Sonntag: «Soldaten aus Nato-Ländern sind bereits in der Ukraine.»
Wir sagen, was über einen Nato-Einsatz in der Ukraine bekannt ist und wie heftig der Kreml darauf reagieren könnte.
Was weiss man über einen Nato-Einsatz in der Ukraine?
Mehr als die Aussagen des polnischen Aussenministers sind bisher offiziell nicht bekannt. Radoslaw Sikorski hat an der Veranstaltung zum 25. Jahrestag Polens in der Nato keine weiteren Erklärungen abgegeben, wie die «Bild»-Zeitung schreibt. Er sagte nur, dass er «den Ländern danken» wolle, die dieses Risiko eingingen. «Sie wissen, wer sie sind.»
Im Abhörskandal der deutschen Bundeswehr war in einem Mitschnitt die Rede davon, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten «Storm-Shadow»-Marschflugkörper «ein paar Leute vor Ort» hätten.
Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, geht davon aus, dass Nato-Personal in der Ukraine schon seit der Annexion der Krim 2014 im Einsatz steht. «Offenbar hat die amerikanische CIA seit Jahren Leute vor Ort, die dem ukrainischen Geheimdienst zur Seite stehen. Zudem sollen auch britische und kanadische Spezialkräfte die Ukrainer planerisch bei Einsätzen und Sabotageaktionen unterstützen.» Den Briten sage man nach, dass sie es darauf abgesehen hätten, die russische Schwarzmeerflotte zu versenken.
Wie zerstritten ist die Nato?
Innerhalb der Nato herrscht zu diesem Thema keine Einigkeit. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (65) lehnt einen Einsatz von Nato-Soldaten kategorisch ab. Auch in Zukunft gelte, dass «es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden gibt, die von europäischen Staaten oder Nato-Staaten dorthin geschickt werden». Bei der Nato selber heisst es, dass man keine Pläne für Kampftruppen vor Ort habe.
Emmanuel Macron hält einen Einsatz allerdings für möglich und betont, dass jedes Land eigenständig über einen Einsatz von Bodentruppen entscheiden könne – ohne Nato-Stempel. Macron: «Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.»
Ist die Ukraine auf ausländische Soldaten angewiesen?
Es steht ausser Frage, dass die Ukraine die russischen Invasoren nur dank westlichen Waffenlieferungen zurückhalten kann. Es ist auch klar, dass die Ukraine neue Soldaten braucht. «Die Ukraine hat aber selber noch ein grosses Potenzial, auf das sie zurückgreifen kann», meint Thiele. Er erklärt: «Es gibt rund 500'000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die Präsident Selenski aus innenpolitischen und Gründen der Popularität nicht einzieht.»
Reagiert der Kreml mit Atomwaffen?
Thiele selber hält einen Einsatz von Nato-Soldaten in der Ukraine für «brandgefährlich». Zwar verbuche die russische Armee zurzeit an der Front Erfolge. Wenn aber durch Nato-Truppen das Blatt zugunsten der Ukraine wenden würde, dürfte der Kreml gereizt reagieren. Thiele: «Wenn Putin wegen Nato-Soldaten in die Defensive getrieben würde, müsste man davon ausgehen, dass er hemmungslos seine Drohungen wahrmachen und zu Nuklearwaffen greifen würde.»