Ausgerechnet jetzt liefert sich US-Präsident Joe Biden (81) einen solchen Patzer. Am letzten Tag des Nato-Gipfels in Washington wollte er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (46) ankündigen. Und sagte dabei: «Nun übergebe ich das Wort an den Präsidenten der Ukraine, der ebenso viel Mut wie Entschlossenheit besitzt. Meine Damen und Herren: Präsident Putin.»
Die Panne bemerkte Biden zwar sofort und korrigierte sich. Aber der Moment sorgt für weitere Diskussionen rund um den Gesundheitszustand von Biden.
Nach Bidens desaströs fahrigem und wirrem Auftritt im Fernsehduell mit Trump vor zwei Wochen sieht sich der mit 81 Jahren älteste Präsident in der US-Geschichte einer immer weiter anschwellenden Debatte über seine physische und mentale Eignung für das Präsidentenamt konfrontiert – auch in der eigenen Partei.
Was passiert, wenn Biden tatsächlich einen Rückzieher macht?
Sollte Biden tatsächlich seine Kandidatur zurückziehen, haben die Demokraten ein gewaltiges Problem. Der Nominierungsprozess wäre völlig offen – und damit hochdramatisch. Neue Vorwahlen liessen sich wegen Zeitmangels nicht mehr organisieren. Beim Parteitag käme es dann wohl zu heftigen Debatten und Verhandlungen über den Biden-Ersatz.
Wer könnte Bidens Nachfolger werden?
Bei Bidens Ausstieg wäre Vizepräsidentin Kamala Harris (59) keineswegs die logische neue Präsidentschaftskandidatin. Denn ihre Vize-Rolle bezieht sich ausschliesslich auf das Amt an der Staatsspitze, das sie bei einem Ausfall Bidens etwa durch Tod, Krankheit oder Rücktritt übernehmen würde. Sie ist aber nicht die designierte Nachrückerin als Präsidentschaftskandidatin. Die als Vizepräsidentin eher blass gebliebene Harris hätte bei einer offenen Abstimmung auch nicht unbedingt die besten Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur.
Und wer könnte sonst infrage kommen?
Als mögliche andere Biden-Alternativen genannt werden unter anderen die Gouverneure der Bundesstaaten Kalifornien und Illinois, Gavin Newsom (56) und J.B. Pritzker (59) sowie die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer (52). Sie sind allesamt gestandene Politiker, lassen aber ebenso wie Kamala Harris keine möglichen Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur dieses Jahr durchblicken.
Immer wieder genannt wird auch die frühere First Lady Michelle Obama (60), die für viele Demokraten eine Lichtgestalt ist. Sie hat jedoch in der Vergangenheit konsequent betont, dass sie kein politischer Mensch sei und nie Interesse am Präsidentenamt gehabt habe.
Wie hat sich Biden in den letzten Tagen verhalten?
Bei einer Spendengala nannte Biden selbst seine Müdigkeit nach mehreren Auslandsreisen als Begründung für den schwachen Auftritt bei der Fernsehdebatte in der vergangenen Woche. Biden war Anfang Juni nach Frankreich gereist, um an den Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie teilzunehmen und einen Staatsbesuch zu absolvieren. Mitte des Monats reiste Biden nach Italien zum G7-Gipfel.
Zudem teilte der oft von Trump-Fans als «Sleepy Joe» defamierte US-Präsident letzte Woche den demokratischen Gouverneuren während eines Treffens im Weissen Haus mit, dass er plane, künftig keine Veranstaltungen nach 20 Uhr mehr anzusetzen, damit er mehr Schlaf bekomme. Das berichten CNN und «New York Times» übereinstimmend. Mehrere der anwesenden Gouverneure sollen laut CNN frustriert auf die Aussage Bidens reagiert haben.
Joe Biden selbst wirkt allerdings weiterhin fest zur Kandidatur entschlossen und absolvierte seit seinem müden Auftritt im TV-Duell mehrere kämpferische Wahlkampfkundgebungen. Eine entscheidende Rolle scheint seine Frau Jill Biden (73) zu spielen, die ihrem Mann demonstrativ den Rücken stärkt. «Er ist die einzige Person für den Job», sagte sie bei einem Treffen mit Geldgebern der Biden-Kampagne.
Was sagt das Weisse Haus zum möglichen Rückzug?
Das Weisse Haus hat einen möglichen Rückzug dementiert. m späteren Abend gab eine Sprecherin des Weissen Hauses eine Medienkonferenz. Als Journalisten sie fragten, ob Biden es in Erwägung zieht, seine Kandidatur zurückzuziehen, betonte sie: «Absolut nicht.» Sie stellte klar: «Der Präsident ist klarsichtig und bleibt im Rennen.»
Der Stabschef von US-Präsident Joe Biden, Jeff Zients, hat die Mitarbeiter des Weissen Hauses zudem übereinstimmenden Medienberichten zufolge dazu aufgerufen, den «Lärm» um Biden auszublenden und sich auf die Regierungsarbeit zu konzentrieren. Der US-Sender MSNBC und andere berichteten, Zients habe in einer Telefonschalte mit mehr als 500 Teilnehmern eingeräumt, dass die vergangenen Tage eine Herausforderung gewesen seien.
Gleichzeitig lobte er demnach die Errungenschaften der Regierung und betonte, dass der Fokus aller Mitarbeiter auf die Regierungsarbeit in der heissen Wahlkampfphase noch wichtiger werde. Die Sprecherin des Weissen Hauses bestätigte auf Nachfrage, dass es eine solche Telefonschalte gegeben habe.
Was sagt Biden zu einem möglichen Rückzieher?
US-Präsident Joe Biden bleibt dabei: Er bleibt weiter im Rennen gegen Trump. Er bezeichnete sich am Donnerstag bei einer Pressekonferenz als am besten qualifiziert und gab sich siegessicher. «Ich denke, ich bin die qualifizierteste Person.» Er habe seinen Rivalen Donald Trump bereits einmal geschlagen, «und ich werde ihn wieder schlagen». Es gehe ihm nicht um sein Vermächtnis, fuhr Biden fort. Er wolle die Arbeit zu Ende bringen, die er begonnen habe.
Biden sagte bei der Pressekonferenz, neurologische Untersuchungen hätten ergeben, dass er in guter Form sei. Er sei entschlossen, zu kandidieren, «aber ich weiss, dass es wichtig ist, dass ich Ängste zerstreue».
Einer zuvor veröffentlichte Umfrage für die Zeitung «Washington Post» und den Sender ABC News zufolge sind mit 56 Prozent mehr als die Hälfte der Parteimitglieder der Demokraten der Ansicht, dass Biden beiseite treten solle. Nur 42 Prozent unterstützten seine Kandidatur.
Was passiert mit den Wahlkampfmillionen?
Für den Wahlkampf braucht es viel Geld – und wie. Dafür gehen Kandidaten auf Spendenjagd. Biden konnte sich mehr als 232 Millionen US-Dollar sichern. Einfach so das Geld zurückzahlen, geht nicht. Und das macht die Topspender mächtig sauer, wie NBC berichtet. Falls Biden tatsächlich sich zurückzieht, wird das Geld bei Vizepräsidentin Kamala Harris verbucht. Die Millionen, die für Biden gedacht waren, sind aus der Sicht der Spender also weg. Auch die Demokratische Partei bekommt etwas vom Kuchen ab. Aber nur ein klitzekleines Stück. Für Harris wäre also schon mal nötige Kleingeld vorhanden, einen solch grossen Wahlkampf zu fahren.