Darum gehts
Lange blieb die «Second Lady» im Hintergrund. Jetzt wagt Usha Vance (39), die Frau von US-Vizepräsident JD Vance (40), den Schritt ins Rampenlicht – und nimmt sich gleich ein diplomatisches Pulverfass vor. Ihre erste offizielle Mission führt sie nach Grönland, wo sie am Freitag landen soll. Das Ziel: die Insel näher an die USA binden.
US-Präsident Donald Trump (78) und Vize Vance versuchten es mit Drohungen. Usha Vance versucht es mit Charme. Sie nennt Grönland konsequent «Kalaallit Nunaat», wie es in der Landessprache heisst, spricht von «gegenseitigem Respekt» und kulturellem Austausch. Die Juristin gibt sich ganz anders als First Lady Melania Trump – und scheint so gar nicht zu den Provokateuren in der US-Regierung zu passen. Die Zeichen verdichten sich: Diese Second Lady soll künftig eine zentrale Rolle im Trump-Team übernehmen.
Mit dem Mann nach rechts – und nach oben
Noch vor ein paar Jahren hätte wohl niemand gedacht, dass ausgerechnet die Frau mit indischen Wurzeln einmal als Trump-Vertraute in die Arktis reisen würde. Usha Vance wirkt intellektuell, diplomatisch, fast sanft. In einem Instagram-Video schwärmt sie von Grönlands Kultur, spricht von Respekt – und im Regal hinter ihr entdecken aufmerksame Zuschauer ein Buch von Ex-Vizepräsident Al Gore (76). Ausgerechnet jenem Demokraten, der sich einst für den Klimaschutz starkmachte.
Ihr Auftritt wirkt wie eine Gegeninszenierung zur typischen Trump-nahen Frau mit Hochglanzlook und TV-Charme. Keine Designerrobe, keine falschen Wimpern – Usha Vance trägt Schuhe ohne Absatz, graue Strähnen und Bücher unterm Arm.
Aufgewachsen in Kalifornien als Tochter indischer Einwanderer, machte Usha Vance eine Bilderbuchkarriere: Yale, Cambridge, Mitarbeiterin am Supreme Court. In ihrer früheren Kanzlei warb man mit ihrem Einsatz für Diversität. Politisch war sie bis 2014 als Demokratin registriert. Dann kam JD Vance. Der einstige Trump-Kritiker (immerhin nannte er ihn den «amerikanischen Hitler») wurde erst zum Fan, dann zum Senator, heute ist er Vizepräsident – und Usha? Zog mit. Sie gab ihre Karriere auf, übernahm die Rolle der Familienmanagerin – und ist inzwischen viel mehr als das.
Usha Vance verkörpert gleich zwei amerikanische Archetypen: das strebsame Einwandererkind und die ehrgeizige Karrierefrau. Zwei Projektionsflächen, auf die sich Generationen von Liberalen und Konservativen gleichermassen einigen konnten – der Mythos: Wer hart arbeitet, kommt nach oben. Usha Vance hat hart gearbeitet. Das wirkt ganz anders als Melania Trump, deren Rolle oft auf dekorative Repräsentation reduziert wurde und die sich aktuell vom Rampenlicht fernhält.
Zuckerbrot zur Peitsche
Die Second Lady hilft, das Trump-Vance-Ticket menschlich wirken zu lassen. Während ihr Mann poltert, bleibt sie freundlich. Und doch steht sie hinter ihm – auch wenn seine Politik genau jene Werte angreift, die einst ihre Welt prägten: Diversität, Bildung, offene Gesellschaft. Genau deshalb funktioniert sie so gut als Kontrast zu JD Vance, der als Vizepräsident immer tiefer ins Trump’sche Kulturkampf-Milieu abtaucht. Sie bleibt das Zuckerbrot zur Peitsche – ein Gegenpol, der ihren Mann nicht schwächt, sondern salonfähig macht. Nicht umsonst bezeichnete Vance seine Frau als seine «spirituelle Führerin».
Dass also gerade sie als freundliche Stimme der amerikanischen Regierung in die Arktis reist, ist kein Zufall. Ihre Art ist Teil der Strategie. Während andere provozieren, soll Usha Vance beschwichtigen. Bleibt die Frage: Wird sie dabei benutzt – oder zieht sie selbst Strippen? Fest steht: Wer Usha Vance bisher als harmlose Politiker-Ehefrau sah, dürfte sich täuschen. Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass Usha Vance politisch noch eine grössere Rolle spielen könnte. Schon im Februar reiste sie zu den Special Olympics in Turin, jetzt steht Diplomatie in Grönland auf dem Programm. Wer mit solch sensiblen Missionen beginnt, könnte sie bald auch offizielle Aufgaben in der Aussenpolitik übernehmen.
Und nicht zuletzt kann Usha Vance wie kaum eine andere zwischen den Welten vermitteln: zwischen Elite und Basis, zwischen Migration und Tradition, zwischen Kalifornien und Ohio. Ihre Grönland-Reise könnte also mehr sein als ein PR-Coup – sie könnte ein Testlauf sein.