Historischer Impeachment-Prozess
Warum hat Trump noch so viel Macht über die Republikaner?

Der Impeachment-Prozess geht los, doch Trumps Verurteilung ist unwahrscheinlich. Kaum ein Republikaner im Senat stellt sich gegen den Anstifter – obwohl die Stimmung selbst bei den Wählern dreht.
Publiziert: 09.02.2021 um 21:01 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2021 um 10:35 Uhr
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Donald Trump ist der erste US-Präsident, der zweimal impeacht wurde.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Darf Donald Trump (74) bei der Präsidentschaftswahl 2024 noch mal kandidieren? Die nächsten Tage entscheiden die Senatoren über diese Frage. Während der Impeachment-Prozess in Washington läuft, kann Trump in seiner Residenz Mar-a-Lago in Miami (Florida) in aller Ruhe seinem Lieblingshobby nachgehen: Golfen.

Sorgen machen muss sich der Ex-Präsident über eine mögliche Ämtersperre und den Verlust von Privilegien eigentlich nicht. Für eine Verurteilung wegen «Anstiftung zum Aufruhr» rund um den Kapitol-Angriff (so lautet die Anklage) braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Senat – mindestens 17 Republikaner müssten mit den Demokraten stimmen.

Danach sieht es aktuell nicht aus.

Obwohl prominente Republikaner wie Liz Cheney (54), Tochter von George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney (80) und Abgeordnete im Repräsentantenhaus, ihre Partei geradezu anflehen, sich von Trump zu distanzieren, zeigt eine Recherche der «New York Times» ein klares Bild: Von den insgesamt 50 republikanischen Senatoren im Senat haben bereits 36 angekündigt, gegen eine Verurteilung zu stimmen. Nur 13 bezeichnen sich vor dem Start des Prozesses als «unentschieden». Eine Senatorin hat sich nicht geäussert. Einem Antrag, das Verfahren als «verfassungswidrig» einzustufen und nicht mal zu beginnen, stimmten vorab sogar 45 der 50 republikanische Senatoren zu.

Warum halten so viele Republikaner noch immer zu Trump?

Bei Trumps erstem Impeachment-Prozess im Rahmen der Ukraine-Affäre vor einem Jahr erschien das Verhalten der Republikaner noch verständlich: Das Wahljahr hatte gerade begonnen, die Wirtschaft brummte, Trumps Chancen auf Wiederwahl waren gut. Nur ungern hätten die Republikaner zu diesem Zeitpunkt ihr politisches Zugpferd abgeschossen. Zumal viele von ihnen bei der US-Wahl 2020 selbst um ihren Sitz im Kongress kämpfen mussten und auch Trumps Rache fürchteten. Praktisch geschlossen stellte sich die Partei damals hinter Trump, nur einer scherte aus: Der Senator Mitt Romney (73) stimmte für eine Verurteilung.

Diesmal, beim historischen zweiten Impeachment-Prozess gegen Donald Trump, liegen die Karten gänzlich anders: Trump hat die Präsidentschaftswahl und die mehr als 60 Prozesse wegen angeblichen Wahlbetrugs krachend verloren, er ist nicht mehr im Amt und seine Profile auf Twitter, Facebook und Instagram sind gesperrt. Die Mehrheit der amerikanischen Wähler befürwortet laut einer «Politico»-Umfrage eine Verurteilung – darunter sogar fast ein Fünftel der republikanischen Wähler! Für eine Ämtersperre ist sogar knapp ein Viertel der republikanischen Wähler.

Und: Seit dem Kapitol-Sturm wenden sich offenbar immer mehr Wähler von den Republikanern ab. Wie eine Recherche der «New York Times» zeigt, haben im Januar 140'000 registrierte Republikaner in 25 Staaten (die anderen 19 Staaten erheben keine Parteizugehörigkeit) die Partei verlassen – laut Experten mehr als üblich nach einer Präsidentschaftswahl.

Dennoch gibt es mindestens sieben Gründe, warum sich so viele Republikaner noch immer nicht distanzieren:

1. Die Trump-Fans

Die Republikaner kämpfen um Trumps Fanbasis. Der umstrittene Ex-Präsident schaffte es 2020 sogar, mehr als 12 Millionen (!) Stimmen mehr zu bekommen als vier Jahre zuvor. Umfragen zeigen: Viele der Wähler identifizieren sich mehr mit Trump als mit der Republikanischen Partei. Die wollen die Republikaner auf keinen Fall verprellen.

2. Die Evangelikalen und Verschwörer

Die wichtige Wählerbasis stand bis zuletzt fest zu Trump. Führerfiguren der evangelikalen Christen unterstützten selbst Trumps haltlose Wahlbetrugsvorwürfe. Warum? Für die einen war Trump das «Puzzleteilchen», der massig konservative Richter ernannte, um ihre Agenda voranzutreiben. Für die anderen ist Trump eine Art «Auserwählter» – dazu gehört auch die QAnon-Bewegung, die auch in den Reihen der republikanischen Partei immer grösser und einflussreicher wird.

3. Die Partei ist gespalten

Im Kongress sitzen für die Republikaner mittlerweile Abgeordnete wie die QAnon-Anhängerin und Waffen-Närrin Marjorie Taylor Greene (46) genauso wie der Trump-kritische Senator Mitt Romney. Selbst nach (!) dem Kapitol-Angriff stellten zum Beispiel noch 138 republikanische Abgeordnete (von 211 insgesamt) das Wahlresultat im Swing State Pennsylvania in Frage.

4. Trumps Politik

Vielen Republikanern hat Trumps Politikstil nicht gefallen. Seine Politik hingegen schon: Er hat die Steuern gesenkt und fast ein Viertel der aktiven Bundesrichter ernannt – nicht zu vergessen gleich drei Richter am US Supreme Court. Das sichert den Konservativen noch über Jahrzehnte Macht und Einfluss.

5. Die Midterms 2022

Die Partei hätte nur wenig Zeit, sich neu zu sortieren, wenn sie vollständig mit Trump bricht. Schon in knapp zwei Jahren stehen die Halbzeitwahlen an. Wollen die Republikaner dann den Senat und das Repräsentantenhaus zurückerobern, dürfen sie Trumps Wähler nicht verprellen und die Partei nicht weiter spalten. Zudem fehlt ihnen ohne Trump eine Galionsfigur.

6. Angst vor Trump

Trump hat wegen seiner Wähler und seiner Bekanntheit noch immer gewaltigen politischen Einfluss. Er könnte zum Beispiel ein eigenes soziales Netzwerk, ein eigenes Medienunternehmen oder gleich eine eigene Partei gründen. Lieber haben die Republikaner Trump noch an die eigenen Reihen «angebunden», als dass sie diese Gefahr in Kauf nehmen.

7. Die Trump-Familie

Selbst wenn Trump 2024 nicht mehr kandidieren darf, stehen genügend andere Mitglieder der Trump-Familie für eine politische Karriere bereit. Bei den republikanischen Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur könnten etwa die Trump-Kinder Donald Trump Jr. (43) oder Ivanka (39) antreten. Lara Trump (38), Ehefrau von Trump-Sohn Eric (37), liebäugelt zudem mit einer Kandidatur für den Senat.

Könnte es beim Impeachment-Prozess noch Überraschungen geben?

Die Republikaner haben viel zu verlieren, sollten sie für eine Trump-Verurteilung stimmen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass zumindest noch einige ihre Meinung ändern – insbesondere, da offenbar bereits ein Viertel der republikanischen Wähler zumindest eine Ämtersperre befürwortet. Weil die Republikaner am Ende vor nichts mehr Angst haben als vor dem Verlust von Wählerstimmen, werden sie genau beobachten, ob die Stimmung in der Bevölkerung im Laufe des Prozesses dreht.

Im Ticker halten wir Sie über die Entwicklungen im Impeachment-Prozess auf dem Laufenden.

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