Die Drohungen des Raubtiers
Was Trumps Europa-Pläne für uns bedeuten

Europäische Politiker sollten ernst nehmen, was Donald Trump bei seiner Rede am WEF in Davos gesagt hat. Es wird hart mit dem neuen US-Präsidenten – Grund zur Hoffnung besteht aber auch.
Publiziert: 26.01.2025 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2025 um 08:21 Uhr
Donald Trump tritt als politisches Raubtier auf die Bühne.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Vor Jahrmillionen sorgte der T-Rex für Angst und Schrecken, brüllte über die Steppe und trampte wuchtig durch die Welt. Sorgen um natürliche Feinde musste sich das mächtigste aller Raubtiere keine machen. Der Tyrannosaurus stand an der Spitze der Nahrungskette, bis er vor 66 Millionen Jahren ausgestorben ist.

Diese Woche trat in Amerika ein neues Raubtier auf den Plan, ein politisches, heimisch im urbanen Washington. Sein Name: Donald Trump (78). Auch er hat keine natürlichen Feinde. Niemand, der bei Sinnen ist, wird es wagen, sich ihm in den Weg zu stellen. Weit oben auf seinem Speiseplan steht Europa, dieser lästige Erdteil. Kurz noch wirtschaftlich auspressen, dann kann man sich endlich genüsslicheren Gegenden zuwenden.

Trump hat am WEF in Davos GR glasklar gemacht, dass die Zeit der transatlantischen Freundschaften vorbei ist. Die beiden Kontinente trennt viel mehr als nur mehr ein Ozean. Wenn sich die Alte Welt nicht schleunigst hinterfragt und eine neue Rolle einnimmt, droht der US-Präsident sie zu zerfetzen. Zwei Vorkommnisse in Trumps erster Woche zurück im Weissen Haus sind für Europa besonders bedrohlich.

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Donald Trump tritt als politisches Raubtier auf die Bühne.
Foto: keystone-sda.ch
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«Make it in the USA»!

In seiner dritten Davoser Ansprache sagte Trump unmissverständlich: Wer sein Unternehmen in die Vereinigten Staaten zügelt, der darf sich über tiefe Steuern und freundschaftliche Grüsse freuen. Wer aber weiterhin in Europa produziert und nach Amerika verkaufen will, dessen Ware wird so heftig besteuert, dass sie auf dem US-Markt keine Chance mehr hat.

Umgesetzt hat Trump seine Drohung der hohen Import-Tarife zwar noch nicht. Sein Tonfall, mit dem er bei seiner WEF-Rede über die «katastrophale Bürokratie in Europa» herzog und sich beklagte, die EU würde die USA «unfair behandeln», lässt aber keine Zweifel daran: Ein neuer Handelskrieg zwischen den einstigen Verbündeten steht unmittelbar bevor. Ein Handelskrieg, den sich das wirtschaftlich angeschlagene Europa nicht leisten kann, um nicht alsbald in eine Rezession zu schlittern.

Die Lösung: Entweder investiert Europa gewaltig in Amerika und besänftigt Trump mit Cash und Arbeitsplätzen. So macht das etwa Saudi-Arabien, das diese Woche Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Dollar versprochen hat. Oder man schlägt Trump mit seinen eigenen Waffen, wie das ein deutscher Kanzlerkandidat in Davos im Gespräch mit Blick vorgeschlagen hat: hohe Importsteuern auf Produkte aus republikanischen Bundesstaaten (Harley Davidsons aus Wisconsin, Whiskey aus Tennessee), damit Trumps Anhänger in wirtschaftlichen Stress geraten. Zudem gibt es Zweifel, ob die USA überhaupt genügend Arbeitskräfte haben, um die Produktion zurückzuholen.

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Plaudern mit Putin

Er wolle Wladimir Putin (72) «bald treffen», um über das Ende des Sterbens auf den «leichenübersäten flachen Feldern» zu sprechen, sagte Trump in Davos. Den ukrainischen Angaben über die Todesopfer des russischen Angriffs (Trump spricht vom «Russland-Ukraine-Krieg», ohne einer Seite die Verantwortung für das Grauen zuzuschieben) schenkt er keinen Glauben. «Es sind viel mehr Tote, als sie sagen! Millionen sind gestorben», fabuliert Trump. Den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (46) erwähnte er bei seinen Ansprachen bislang mit keinem Wort.

Das verstärkt die Angst der Ukrainer, dass Trump aus kosmetischen Gründen einen möglichst raschen Deal will, am einfachsten über die Köpfe der Ukrainer hinweg. Sähe gut aus auf dem präsidialen CV. «Präsident Putin», wie Trump den Kreml-Herrscher nennt, liess via seinen Sprecher am Freitag ausrichten, Moskau sei bereit für ein Treffen.

«Trump will einen Blitzdeal, möglichst rasch. Das bringt uns in eine extrem unangenehme Situation», sagte der ukrainische Vize-Premierminister Oleksij Tschernischow (47) am Weltwirtschaftsforum zu Blick. Und selbst wenn ein Deal käme: Putins Worten sei kaum zu trauen. Ganz ähnlich sieht das Polens Präsident Andrzej Duda (52): «Wir müssen der Ukraine jetzt sofort alles geben, damit sie Russland militärisch zurückdrängen kann. Wir müssen Putin so weit bringen, dass er uns um einen Waffenstillstand anfleht», sagte Duda am WEF.

Wer jetzt mit Putin verhandle, spreche mit einem Herrscher in einer Position der Stärke. Das würde Putin für seinen Angriff belohnen. Der nächste Angriff – Polen, die baltischen Staaten und Finnland bereiten sich politisch und militärisch intensiv auf dieses vermeintlich unmögliche Szenario vor – sei dann nur eine Frage der Zeit.

Innen Show, aussen wow!

Zu Hause in Amerika macht Trump mit einem riesigen Stapel unterzeichneter «Exekutiv-Anordnungen» Furore. Manche Verfügungen sind eher politische PR-Stunts, da sie von Gerichten und vom Parlament relativ problemlos rückgängig gemacht werden können. Eine Ausnahme bildet die faktische Generalamnestie für fast 1600 teils gewalttätige Kapitol-Krawallanten, die dank Trump jetzt wieder auf freiem Fuss sind.

Während er innenpolitisch nach einer Woche im Amt erstmals auf Widerstand stösst (bereits hat ein Richter eine erste Exekutiv-Verfügung wieder gestoppt), haben seine aussenpolitischen Drohungen jetzt schon handfeste Konsequenzen. Die Ukraine muss damit rechnen, innert Wochenfrist einen grossen Teil ihres Territoriums zu verlieren, Europa im Worst Case einen Teil seines US-Handelsvolumens. Das Raubtier an der Spitze der geopolitischen Hackordnung kratzt das herzlich wenig – bislang jedenfalls.

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