Auf einen Blick
- Kreuzfahrtindustrie wächst, Schiffe werden gigantisch
- Umweltexperten warnen vor Bedrohung sensibler Ökosysteme
- Einige Hafenstädte reagieren bereits mit Einschränkungen
Die Kreuzfahrtindustrie wächst rasant – und mit ihr die Grösse der Schiffe. Genannt werden die neuen Giganten der Meere «Cruisezillas» – eine Anspielung auf das zerstörerische Filmmonster Godzilla. Seit 2000 hat sich die Grösse der weltgrössten Kreuzfahrtschiffe verdoppelt, berichtet das Nachrichtenportal T-Online. Laut Prognosen könnten sie bis 2050 achtmal so gross sein wie die legendäre Titanic.
Die Icon of the Seas, ein schwimmendes Luxusresort mit 20 Decks, 40 Restaurants und Platz für fast 10'000 Menschen, ist das aktuell grösste Schiff seiner Art. Doch die Gigantomanie hat ihren Preis: Laut Umweltexperten bedrohen die riesigen Schiffe sensible Ökosysteme und belasten die Luft in Hafenstädten.
Grösser, schneller, gefährlicher
Die immer grösseren Schiffe und immer grösseren Schiffsflotten produzieren immer mehr schädliches Kohlendioxid, Methan und Feinstaub. Gemäss einem Bericht der Organisation Transport & Environment stiessen Kreuzfahrtschiffe im Jahr 2022 17 Prozent mehr CO₂ aus als 2019 – also noch vor der Pandemie. Die Emissionen des schädlichen Treibhausgases Methan stiegen im gleichen Zeitraum um 500 Prozent.
Die Icon of the Seas verbraucht zwar vermeintlich umweltschonenderes Flüssigerdgas (LNG), gilt aber mit ihrem ressourcenfressenden Überangebot dennoch als Umweltsünder. Und die meisten Kreuzfahrtschiffe fahren noch immer mit Schweröl und Marinedieselöl. Experten fordern deshalb strengere Regulierungen und Grössenbeschränkungen.
Die Branche wächst unaufhörlich
Inesa Ulichina von Transport & Environment warnt vor den Folgen: «Die heutigen ‹Cruisezillas› liessen die Titanic wie ein kleines Fischerboot aussehen.» Die Branche jedoch boomt weiter. Für 2024 werden 35 Millionen Passagiere erwartet – ein Plus von 6 Prozent gegenüber der Zeit vor Corona. Zu den gewohnten Babyboomern entdecken die Millennials die schwimmenden Hotels für sich.
Doch der Widerstand wächst: Immer mehr Hafenstädte wehren sich gegen den «Übertourismus». Barcelona und Amsterdam planen Sondersteuern für Kreuzfahrttouristen. Venedig hat grossen Schiffen bereits die Einfahrt in die Lagune verboten.
Kommt die Lösung zu spät?
Die Zukunft der Kreuzfahrtindustrie steht demnach an einem Scheideweg. Können Umweltschutz und Massentourismus in Einklang gebracht werden? Kreuzfahrten müssten vor allem teurer werden. Die All-inclusive-Reisen zählten zum Luxustourismus, sagt Inesa Ulichina von Transport & Environment, und die Veranstalter müssten nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern auch ihr Geschäft zum Schutz des Klimas ändern. «Die einzige grüne und skalierbare Lösung für die Dekarbonisierung des Seeverkehrs sind E-Treibstoffe», so Ulichina.
Auf diese Lösung wollen manche jedoch nicht mehr warten und haben bereits Konsequenzen gezogen, wie T-Online berichtet. In Juneau im US-Bundesstaat Alaska wird ab 2026 die Zahl der grossen Schiffe auf maximal fünf pro Tag begrenzt. Samstags sollen sie gar nicht mehr anlegen dürfen.