Wegen eines Finanztricks ist die deutsche Ampel-Regierung mit SPD, Grünen und FDP in eine Schulden-Sackgasse geraten. Es fehlen über 60 Milliarden Euro, Klimaprojekte sowie weitere geplante Investition stehen auf der Kippe.
Während in Deutschland Verzweiflung herrscht, lachen sich die Griechen ins Fäustchen. Sie erinnern sich nur zu gut, wie Deutschland sie während der Staatsschuldenkrise 2010 belehrte und von ihnen ein striktes Sparregime sowie die Privatisierung von Infrastruktur forderte. Die «Bild»-Zeitung titelte damals als Vorschlag: «Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!»
Jetzt schlagen die Griechen genüsslich zurück. Panagiotis Lafazanis (71) war 2015 unter dem linken Regierungschef Alexis Tsipras (49) und Finanzminister Yanis Varoufakis (62) Energie- und Umweltminister. In der «Bild» schlägt er den Deutschen nicht nur eine Notsteuer vor, um das Problem zu lösen, sondern meint auch: «Eine weitere Lösung wäre der Verkauf öffentlicher Vermögenswerte wie Inseln, um schnell grosse Summen aufzubringen.»
Auch auf der Sparseite folgt aus Griechenland die Retourkutsche. Lafazanis: «Sollten die Deutschen das nicht selbst in den Griff bekommen, müssen sie sich unter die Aufsicht der Troika begeben. Dann werden sie gezwungen.» In Griechenland führte einst die verhasste Troika, ein Dreiergespann aus Internationalem Währungsfonds, Weltbank und EU, ein striktes Sparregiment.
Forderung nach Neuwahlen
So schlimm, dass die Staatspleite droht, steht es um Deutschland nicht. Dennoch handelt es sich um eine Krise, die das Ende der Regierung bedeuten könnte. Immer mehr plädieren für Tabula rasa, oder politisch ausgedrückt: Neuwahlen. Bayerns Regierungschef Markus Söder (56, CSU) will so das Volk darüber entscheiden lassen, wer in Berlin regieren und die von der Ampel-Regierung eingebrockte Suppe auslöffeln soll.
So schlitterte Deutschland in die Krise
Söder fordert wegen der «Notlage» die Wahl einer neuen Regierung schon am 9. Juni statt erst im Herbst 2025. Der Bayer sagt zur «Bild»: «Es braucht eine politische Wende. Ein Wurtschteln bringt nichts.»
Er kritisiert die Koalitionsparteien, auch den FDP-Finanzminister Christian Lindner (44): «Die FDP ist nicht in der Lage, dauerhaft ein stabiler Regierungspartner zu sein.» Söder favorisiert eine neue Grosse Koalition mit der CDU/-CSU sowie der SPD. «Der Sex-Appeal von Schwarz-Grün ist vorbei. Das ist ein gutes Modell für schöne Zeiten, aber für schwere Zeiten einfach nicht.»
Mögliche Lösungen
Natürlich debattiert die Ampel-Regierung über Lösungen, um aus der Misere herauszukommen. Aber alle Massnahmen sind verpönt.
Schuldenbremse wieder aussetzen: Nur möglich, wenn wieder eine Notlage erklärt wird. Es wäre die vierte Aussetzung in Folge.
Schuldenbremse reformieren: Die maximale Schuldenaufnahme von jährlich 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen und gewisse Investitionen von der Schuldenbremse ausschliessen.
Ausgaben kürzen: Zur Diskussion steht der Verzicht der Kindergrundsicherung und der Förderung neuer Heizungen.
Einnahmen erhöhen: Steuererhöhungen werden von der FDP kategorisch abgelehnt und – bisher – auch von anderer Seite nicht vorgeschlagen. Im Gespräch ist eine stärkere Erhöhung der CO2-Abgabe.
Gibt es bis Ende Jahr keine Einigung, kommt ein Notfallmechanismus zum Tragen. Dann beginnt die «vorläufige Haushaltsführung», bei der nur Ausgaben möglich sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Zur Finanzmisere ist es gekommen, weil die deutsche Regierung die Schuldenbremsen-freie Zeit während der Corona-Pandemie ausgenützt hatte, um auf Vorrat Schulden in Milliardenhöhe für versprochene Klimaprojekte zu reservieren. Die Koalition hat sich aber gehörig verspekuliert. Das Bundesverfassungsgericht hat nach einer Klage der Union von CDU/CSU geurteilt, dass das für Corona reservierte Geld nicht zweckentfremdet werden dürfe. Die budgetierten 60 Milliarden fehlen also.
AfD im Hoch
Die Regierungskrise bedeutet vor allem Wasser auf die Mühlen der AfD. Bisher punktete die Rechtsaussen-Partei vor allem bei Migrationsfragen, jetzt könnte sie aber auch von der Haushaltskrise profitieren, meint der deutsche Politberater Johannes Hillje (37) auf t-online.de. «Die AfD mobilisiert die Angst vor Veränderung.» Bleibe es bei der Plan- und Ratlosigkeit, werde die Haushaltskrise zur «Rampe der AfD».
Die AfD hat bereits die SPD überholt und liegt bei Befragungen mit 22 Prozent auf Platz zwei hinter der Union (31 Prozent), vor der SPD (15), den Grünen (15) und der FDP (5).
Lafazanis warnt davor, dass Deutschland ganz Europa in eine «lang anhaltende Krise» führen werde. Und er meint: «Das Leben ist rachsüchtig. Deutschland wird nun erleben, was es Griechenland auferlegt hat.»