Um in den Worten der deutsch-schweizerischen Komikerin Hazel Brugger (29) zu fragen: «Deutschland, was geht?» Auf einen Schlag hat die deutsche Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (65) ein Loch von 60 Milliarden Euro in ihrer Tasche. Was das für die deutsche Regierung bedeutet, erklärt dir Blick.
Was ist passiert?
Eigentlich wollte die deutsche Bundesregierung nicht benötigte Corona-Kredite – rund 60 Milliarden Euro – in den nationalen Klimafonds einzahlen. So sollten die nicht benötigten Gelder sinnvoll genutzt werden. Doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat letzte Woche entschieden: Das geht so nicht – das Geld für den Klimafonds muss anderswo gesucht werden.
Für Deutschland heisst es jetzt also: Sparen, sparen, sparen. Und zwar so dringend, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (44) eine Quasi-Ausgabensperre, eine Art Shutdown, für alle Bundesministerien verhängt hat. Das heisst: Die verschiedenen Ministerien in der Regierung dürfen nur noch «in besonderen Einzelfällen» und unter Antrag an das Bundesfinanzministerium erfolgen. Eine Garantie, dass es dann klappt, gibt es aber nicht. Es werde «ein besonders strenger Massstab» angelegt, um zu prüfen, ob die Ausgabe nötig ist. Ausgenommen sind Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.
Warum ist der Klimafonds so ein Problem?
Der Klimafonds ist eines der wenigen Projekte der deutschen Regierungskoalition (SPD, Grüne, FDP), die man gemeinsam vorangetrieben hat. Besonders für die Grünen wäre es ein herber Schlag, wenn die Finanzierung des Fonds in der Schwebe bleibt – schliesslich ist es ihr Herzensprojekt. Wie wichtig der Klimaschutz den Grünen bereits bei der Koalitionsbildung war, hält der Koalitionsvertrag fest. In diesem fordern die Grünen, dass alle Ministerien klimagerecht handeln. Wie das finanziert werden soll, wusste Grünen-Minister Robert Habeck (54) bereits 2021 – mit dem Klimafonds.
Ist der Klimafonds noch zu retten?
Jein. Die sauberste, grundsätzliche Lösung sei eine Reform der Schuldenbremse, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger zur deutschen «Tagesschau». «Man könnte zum Beispiel regeln, dass nach einer Krise nur schrittweise zur Schuldenregel zurückgekehrt werden muss.» Truger brachte zudem ins Spiel, die fehlende Einnahmen durch die Erhebung eines befristeten Energie- oder Klima-Solidarbeitrags auszugleichen.
Doch: Für die Ampelkoalition könnten all diese Vorschläge neuer Sprengstoff sein. Denn zum einen stehen vor allem Programme auf dem Spiel, die den Grünen besonders wichtig sind. Ausserdem gehen die Haltungen zur Schuldenbremse weit auseinander: Kanzler Scholz sowie Lindner und dessen FDP wollen an ihr festhalten, während die Grünen und auch die SPD als Partei immer wieder eine Reform der Regel fordern.
Löst sich jetzt die Regierung auf?
Das ist die Frage, die sich ganz Deutschland stellt. In Deutschland sind Regierungsbündnisse wie die Ampel in den vergangenen 50 Jahren gerade zweimal vor Ende der Amtszeit auseinandergegangen: 1982 und 2005. Regierungsbündnisse enden nur, wenn die Beteiligten sich entweder einen Vorteil versprechen oder vor einem schlimmeren Schicksal retten wollen. Für keine der drei Ampel-Parteien würde das aber aktuell infrage kommen.
Die SPD könnte sich zwar in eine andere Koalition retten, doch die CDU hat schon längst klargemacht, dass dieses Szenario in einer verfrühten Bundestagswahl enden würde. Und da würde die SPD erfolglos dastehen – also ein Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Ähnlich sieht es bei den Grünen aus. Schliesslich haben sie es nach 16 Jahren dank der Ampel endlich wieder einmal an die Macht geschafft – ein Bruch mit der Koalition würde den sicheren Absturz bedeuten. Und die FDP? Die kann auch nicht gehen – aus ähnlichen Gründen. Heisst auf gut Deutsch: Die drei Streithähne müssen versuchen, ihre Risse zu kitten.
Wie geht es jetzt weiter?
Am Donnerstag soll die deutsche Regierung über den Haushalt für 2024 entscheiden. Laut «Spiegel»-Informationen könnte es auch zu einer Verschiebung kommen – offiziell will man sich dazu aber nicht äussern. Es sei weiterhin denkbar, den regulären Etat 2024 zu beschliessen, so der «Spiegel». Die aktuellen Sperren betreffen den Haushalt 2023 und den Klimafonds. Gleichzeitig bekräftigt die SPD, die Partei von Kanzler Scholz, dass sie die Schuldenbremse aussetzen will, um das riesige Loch im Klimafonds zu stopfen.
Allerdings scheint diese Option unwahrscheinlich, eine Mehrheit für die Änderung zu finden schier unmöglich – so zerstritten wie die Ampel ist. Am Dienstag findet eine ausserordentliche Experten-Sitzung zum Thema statt, wo weitere Massnahmen besprochen werden.