Nawalny-Attentat gefährdet Nord Stream 2
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Zuger Firma im Konflikt:Nawalny-Attentat gefährdet Gas-Pipeline Nord Stream 2

Deutsche Politiker fordern Pipeline-Baustopp – Zuger Firma mittendrin
Nawalny-Attentat gefährdet Nord Stream 2

Der Streit um den vergifteten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny (44) artet aus. Während Russland dem Westen vorwirft, den Kreml-Kritiker selber vergiftet zu haben, fordert man in Deutschland den Stopp der Gas-Pipeline Nord Stream 2.
Publiziert: 03.09.2020 um 17:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2022 um 07:44 Uhr
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Zwischen Russland und Deutschland wird an der Gas-Pipeline Nord Stream 2 gebaut.
Foto: Nord Stream 2
Guido Felder

«Er sollte zum Schweigen gebracht werden.» Angela Merkels (66) Worte in Richtung Moskau waren ungewöhnlich scharf, als sie am Mittwoch über den vergifteten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny (44) sprach. Zuvor hatte ein Speziallabor der Bundeswehr den «zweifelsfreien Nachweis» erbracht, dass in Nawalnys Körper ein chemischer Nervenkampfstoff der tödlichen Nowitschok-Gruppe vorhanden war. Der schwer verletzte russische Oppositionelle liegt zurzeit in der Charité-Klinik in Berlin.

Der Anschlag auf Nawalny führt zwischen Moskau und dem Westen zum Streit auf höchster Ebene. Es sei sicher, dass Nawalny «Opfer eines Verbrechens» geworden sei, sagte die deutsche Kanzlerin. «Wir erwarten, dass die russische Regierung sich zu diesem Vorgang erklärt.» Auch die Nato, die USA, Grossbritannien, die EU und andere Staaten hielten sich mit Kritik nicht zurück.

Deutschlands SPD-Aussenminister Heiko Maas (53) zitierte den russischen Botschafter Sergej Netschajew (67), um ihm «unmissverständlich klarzumachen», dass man den Angriff «aufs Allerschärfste» verurteile.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (55), setzte noch einen drauf: «Jetzt sind wir erneut brutal mit der menschenverachtenden Realität des Regimes Putin konfrontiert worden.» Der CDU-Politiker forderte eine klare, harte und einheitliche europäische Linie.

Gigantische Pipeline in Gefahr

Der aufflammende Streit könnte ein gemeinsames Mega-Bauprojekt sozusagen auf der letzten Meile gefährden: Nord Stream 2. Für die Grünen in Deutschland ist klar: Das deutsch-russische Pipeline-Projekt muss sofort abgebrochen werden! Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (54) sagte: «Der offenkundige Mordversuch durch die mafiösen Strukturen des Kremls kann uns heute nicht mehr nur besorgt machen, sondern er muss echte Konsequenzen haben.»

Auch Röttgen fordert einen Stopp. Wenn es jetzt zur Vollendung der Gasleitung zwischen Russland und Europa komme, wäre das eine maximale Bestätigung und Ermunterung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin (67), mit genau dieser Politik fortzufahren, sagte er.

Auswirkungen auf Firma in der Schweiz

Noch am Dienstag hatte Merkel gesagt, dass sie das rund acht Milliarden Euro teure Projekt vollenden möchte. Von der insgesamt 2460 Kilometer langen Röhre sind bisher 2300 Kilometer – also 94 Prozent – verlegt. Die Arbeiten wurden jedoch im Dezember 2019 unterbrochen, weil die in der Schweiz ansässige Firmengruppe Allseas durch den Druck amerikanischer Sanktionen ihre Spezialschiffe von der Baustelle abzog.

Gegenüber BLICK will die in Zug ansässige Firma Nord Stream 2 AG zur aktuellen Diskussion keine Stellung nehmen. «Als Projektentwickler kommentieren wir politische Debatten nicht», sagt Mediensprecher Jens D. Mueller. Sowohl Nord Stream 2 als auch die Unternehmen, die das Projekt unterstützen, seien davon überzeugt, «dass die schnellstmögliche Inbetriebnahme der Pipeline im Interesse der Energiesicherheit Europas, der europäischen Verbraucher, der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der EU und der Klimaschutzverpflichtungen liegt».

Russland beschuldigt Deutschland

Russland kritisiert das Vorgehen und die harschen Worte der deutschen Regierung und hat inzwischen den Spiess umgedreht. Deutschland wird nun vorgeworfen, Nawalny selber vergiftet zu haben! Kreml-Sprecher Dimitri Peskow (52) sagte, man habe bei eigenen Untersuchungen keine toxischen Substanzen gefunden.

Der Duma-Abgeordnete Andrej Lugowoj (53) wurde konkreter und verdächtigt sogar Spitalangestellte in Berlin: «Eine Krankenschwester, ein Arzt könnte die Substanz verabreichen, wenn sie Nawalny wirklich auf irgendeine Weise mit einer giftigen Substanz in Berührung bringen wollten. Ich bin sicher, genau das ist passiert.»

Kreml will Belarus-Zustände verhindern

Dass der Anschlag verübt wurde, ist für den Schweizer Russland-Kenner Jeronim Perović (49), nicht zufällig. Perović unterrichtet osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich und leitet das Center for Eastern European Studies (CEES), das sich mit gegenwartsbezogenen Fragen Osteuropas befasst. Zu BLICK sagt er: «Der Volksaufstand in Belarus hat den Kreml aufgeschreckt. Eine ähnliche Entwicklung möchte man in Russland unbedingt verhindern. Der Anschlag gegen Nawalny sollte der Opposition nicht nur die Führung nehmen, sondern auch ein abschreckendes Signal an alle echten und vermeintlichen Regimegegner aussenden.»

Zwar sei Russland nicht an einer Zunahme der Spannungen mit dem Westen interessiert und habe mit der Überführung Nawalnys nach Deutschland auch eine «minimale Kooperationsbereitschaft zur Schadensbegrenzung» gezeigt. Dennoch geht Perović nicht davon aus, dass Russland eine unabhängige internationale Untersuchungskommission auf eigenem Boden zulassen werde, wie es sie für eine einigermassen transparente Aufklärung des Falles bräuchte.

Spannungen auch innerhalb Europas

Der Anschlag wird laut Perović die Spannungen zwischen dem Westen und Russland weiter belasten. Das sei besonders auch für den Ukrainekrieg schädlich, da dieser Konflikt ohne die Kompromissbereitschaft Moskaus nicht gelöst werden könne.

Aber auch innerhalb Europas könnte der Fall Nawalny zu einem Zerwürfnis führen – gerade wenn es um den Bau von Nord Stream 2 geht, der von mehreren Ländern von Anfang an torpediert worden war. Perović: «In der EU dürfte es nun schwieriger werden, sich auf gemeinsame Positionen gegenüber Russland zu einigen.»

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