«Tödliche Recherche» ist gespenstisch real
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Doku beim Zürcher Filmfestival:«Tödliche Recherche» ist gespenstisch real

Der slowakische Ringier-Journalist Ján Kuciak (†27) wurde vor sieben Jahren getötet
Viele Probleme, die er aufdeckte, bestehen bis heute

Investigativjournalist Ján Kuciak (†27) wurde 2018 mit seiner Partnerin Martina Kušnírová (†27) kaltblütig ermordet. Nach der Tat kam es zu grossen Protesten in der Slowakei. Doch der erhoffte Wandel ist bis heute nicht geschafft. So wird aktuell wieder demonstriert.
Publiziert: 21.02.2025 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2025 um 20:30 Uhr
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Lichter zum Gedenken an den ermordeten Journalisten Ján Kuciak und seine Freundin Martina Kušnírová, die in Bratislava (Slowakei) am 28. Februar 2018 aufgestellt waren – eine Woche nach dem Doppelmord.
Foto: AP

Auf einen Blick

  • Journalist Ján Kuciak und Verlobte vor sieben Jahren ermordet. Auftraggeber bisher nicht verurteilt
  • Proteste führten zum Rücktritt des Premierministers Robert Fico, der später zurückkehrte
  • Zehntausende protestieren gegen Ficos prorussischen Kurs und Besuch bei Putin
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Daniel JungRedaktor News

Es ist nun genau sieben Jahre her: Am 21. Februar 2018 wurde der Investigativjournalist Ján Kuciak (†27) ermordet – mit einer Neun-Millimeter-Pistole mit Schalldämpfer. An diesem Abend befand sich der junge Reporter im Haus, das er kurz zuvor mit seiner Verlobten Martina Kušnírová (†27) gekauft hatte. Es liegt im Dorf Velka Maca, 50 Kilometer östlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava.

An jenem Mittwochabend ist das junge Paar daheim. Der Schütze kommt um 20.21 Uhr ins Haus. Kaltblütig richtet er die Frau in der Küche mit einem Kopfschuss hin. Den Journalisten tötet er im Keller mit zwei Schüssen in die Brust.

Die Morde wurden so präzise ausgeführt, dass sie im Dorf zunächst nicht bemerkt wurden. Erst vier Tage später werden die Leichen gefunden, weil das junge Paar nicht erreicht werden kann.

Recherchen zur Mafia

Kuciak arbeitete als Investigativreporter für die Newsplattform «Aktuality.sk», die wie Blick zu Ringier gehört. Vor seiner Ermordung recherchierte er über Verbindungen der italienischen Mafia bis in höchste slowakische Regierungskreise. Der Journalist hatte zudem mehrere Artikel über Finanzkriminalität geschrieben. Hier war der Unternehmer Marián Kočner (61) einer der Hauptverdächtigen.

Wenige Tage nach dem Mord gingen in der Slowakei die ersten Menschen auf die Strasse. Kurz darauf fanden landesweit die grössten Demonstrationen seit dem Fall des kommunistischen Regimes 1989 statt. Die Menschen protestierten «für eine anständige Slowakei» und forderten eine saubere Untersuchung des Mordes.

Proteste führen zu Rücktritt des Premiers

Die Proteste im Land mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern zeigen zunächst Wirkung: Mehrere Politiker und Polizeibeamte müssen gehen. Weniger als ein Monat nach dem Mord, am 12. März 2018, tritt auch Premierminister Robert Fico (60) zurück. 

Die juristische Aufarbeitung des Falls dauert länger. Inzwischen wurden mehrere Personen verurteilt. Der Schütze, ein Ex-Soldat, wurde 2020 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Auch der Fahrer des Fluchtwagens, ein ehemaliger Polizist, wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Mittelsmann, ein Pizzeria-Betreiber, erhielt 15 Jahre Haft. Auch die Organisatorin der Tat, eine Dolmetscherin, erhielt eine Gefängnisstrafe von 25 Jahren. 

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Bisher nicht verurteilt wurde hingegen der vermutete Auftraggeber des Mordes, Multimillionär Kočner. Zwar befindet sich der Unternehmer im Gefängnis – wegen Wechselbetrugs in Millionenhöhe war er 2020 zu 19 Jahren Haft verurteilt worden. Jedoch nicht wegen der Morde an Kuciak und Kušnírová. «Es gibt enormes Misstrauen in das Urteil des Gerichts, das sich anscheinend weigert, die Fakten zu akzeptieren», sagt Peter Bárdy (47), Chefredaktor von «Aktuality.sk» und ehemaliger Chef von Kuciak. 

Doch der Premier kehrt zurück

Robert Fico schaffte 2023 sein Comeback und wurde erneut als Premierminister gewählt. Der Sozialdemokrat war nach der europäischen Migrationskrise 2015 scharf nach rechts geschwenkt. Gemeinsam mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban (61) vertritt er nun innerhalb der EU und der Nato eine prorussische Haltung.

Im Mai 2024 wurde Fico nach einer Kabinettssitzung selbst Opfer eines Attentats. Der Politiker schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. 

Die slowakische Gesellschaft ist stark polarisiert. Der Mordanschlag auf Fico stehe in Zusammenhang mit der angespannten Stimmung im Land, der Zunahme von Populismus und Extremismus sowie der Radikalisierung der öffentlichen Debatte, erklärt Chefredaktor Bárdy. 

Es wird wieder protestiert

Auch in den letzten Wochen sind in der Slowakei wiederum Zehntausende auf die Strasse gegangen. Unter dem Motto «Die Slowakei ist Europa!» protestieren sie gegen den Kurs von Fico. Dem Premierminister warfen sie vor, er kollaboriere mit Autokraten und wolle die Slowakei selbst in eine Autokratie verwandeln. Bárdy ist unsicher über den Ausgang. «Ich weiss nicht, ob die Proteste etwas ändern werden, aber sie erhalten die Hoffnung am Leben, dass wir in einer zivilisierten Demokratie leben.» 

Die Morde an Ján Kuciak und Martina Kušnírová sind bis heute in der slowakischen Öffentlichkeit präsent. «Es gibt ein starkes Gefühl der Verwundbarkeit», sagt Bárdy. Es gebe aber auch Entschlossenheit, Motivation und Hoffnung, dass unabhängiger und professioneller Journalismus in der Ära des Populismus immer noch seinen wichtigen Platz habe.

Deshalb setze die Redaktion von «Aktuality.sk» ihren Weg unbeirrt fort. «Wir lassen uns nicht einschüchtern von Politikern, Oligarchen oder Verbrechern», sagt Bárdy. «Wir glauben an unsere Arbeit.»

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