Attentat auf slowakischen Premier
Robert Fico – zwischen Mafia und Putin

Robert Fico, der slowakische Ministerpräsident, wurde am Mittwoch von einem Unbekannten angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Wer ist dieser Mann, der bereits zum dritten Mal dieses Amt bekleidet? Ein Porträt.
Publiziert: 15.05.2024 um 19:24 Uhr
|
Aktualisiert: 17.05.2024 um 10:02 Uhr
Robert Fico, der slowakische Ministerpräsident, wurde am Mittwoch von einem Unbekannten angeschossen und lebensgefährlich verletzt.
Foto: keystone-sda.ch
BlickMitarbeiter06.JPG
Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Robert Fico (59), Ministerpräsident der Slowakei, ist einer der umstrittensten Politiker Europas. Er hat viele Freunde – aber auch viele Feinde. Diese Tatsache wurde der Slowakei am Mittwoch schmerzlich bewusst: Nach einer Kabinettssitzung in der slowakischen Stadt Handlova schoss eine Person auf Fico – und verletzte ihn lebensbedrohlich. Laut dem slowakischen Innenministerium wird von einem Attentat ausgegangen.

Dreimal schon wurde Fico zum Ministerpräsidenten seines Landes gewählt. Bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 führte er das Land mit seiner populistisch-sozialdemokratischen Partei Smer. Wer ist dieser Mann – und wieso wurde er zum Ziel eines mutmasslichen Attentats?

Zum Ersten…

2006 wurde Fico zum ersten Mal zum slowakischen Ministerpräsidenten gewählt. Mit zwei weiteren nationalistischen Parteien bildete er eine Koalition. Das «Gruselkabinett», wie kritische Medien es tauften. Man erwartete, dass seine Amtszeit zur Katastrophe werden würde – schliesslich wollten seine Koalitionspartner sich weiter von der EU und der Nato entfernen, als vielen lieb war.

1/7
Robert Fico ist zum dritten Mal Ministerpräsident der Slowakei.
Foto: keystone-sda.ch

Doch es war – oberflächlich betrachtet – eine Ära des Aufschwungs. Mit der Flat Tax erlebte die Slowakei ein Wirtschaftswunder, der Euro wurde 2009 eingeführt, generell näherte man sich der EU an. Ficos Partei Smer gehört bis heute der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament an. Der Premier selbst galt in Europa zwar als etwas populistisch, aber nicht als eine echte Gefahr für die Demokratie, anders als die nationalkonservativen EU-Kritiker in Polen oder Ungarn.

Zum Zweiten…

Nach einem kurzen Unterbruch wurde Fico 2012 erneut ins Amt gewählt. Unterstützt wurde er von allen drei ehemaligen Präsidenten der Slowakei. Auch Frankreich, der damalige Europarats-Präsident und Tschechien sprachen ihre Unterstützung für Fico aus. Er konnte auch direkt eine weitere Amtszeit, von 2016 bis 2018, bestreiten.

Recherchen des von der Mafia ermordeten Ringier-Journalisten Ján Kuciak (1990–2018) beendeten die Amtszeit von Fico 2018. Kuciak hatte ans Licht gebracht, dass unter Fico die italienische Mafia Einfluss bis in die höchsten Kreise der slowakischen Regierung hatte. Die Slowakei stand während Wochen unter Schock, Hunderttausende gingen auf die Strasse – für eine «anständige Slowakei». Fico wurde aus dem Amt gefegt.

Zum Dritten…

Fünf Jahre später, im September 2023, feierte Populist Fico sein Comeback. Zum dritten Mal bekleidet er aktuell das Amt des slowakischen Ministerpräsidenten. Während der vergangenen fünf Jahre hat er sein politisches Profil nach rechts verschoben. Und er verspricht: Seine Partei Smer werde eine «rustikale Sozialdemokratie» verkörpern. Er stellt die «slowakische» in einen Gegensatz zur «Brüsseler» Sozialdemokratie. Man habe sich nicht dafür zu schämen, dass Smer anders sei als die westlichen Sozialdemokraten. Diese befänden sich mit ihrem Einsatz für Minderheiten, Migranten und LGBTQ auf dem Irrweg. Ausgerechnet den ungarischen Staatschef Viktor Orbán (60) nennt er als Vorbild.

Zudem ist Fico ein Unterstützer Russlands und damit ein Gegner von Hilfe für die von Russland angegriffene Ukraine: «Dieser Krieg ist nicht unser Krieg.» Der Krieg habe «2014 begonnen, als ukrainische Nazis und Faschisten begannen, russische Bürger im Donbass zu ermorden». Eine Verschwörungstheorie, die von Kremlchef Wladimir Putin (70) nicht besser hätte erzählt werden können.

Ficos Rückkehr an die Macht hat weitere Bedenken hinsichtlich des Schicksals der Demokratie in der Slowakei hervorgerufen, wobei einige Kommentatoren sogar vor einer «Orbanisierung» des Landes warnten. Er hat hinlänglich bewiesen, dass ihm der Machterhalt wichtiger ist als die Wahrung demokratischer Grundsätze. Wenn seine Macht bedroht ist, gibt es «wahrscheinlich keine Grenzen dafür, wie er bereit wäre, das System zu verbiegen, um sich und seine Kumpanen zu schützen», schrieb das «Journal of Democracy» zu seinem Amtsantritt.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?