Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (37) krallt sich Anteile der Credit Suisse
Der Reformer ohne Skrupel

Mit knapp zehn Prozent steigt die Saudi National Bank und somit Kronprinz Mohammed bin Salman (37) bei der Credit Suisse ein. Der umstrittene Herrscher ist ein Mann mit zwei Gesichtern. Ein Porträt über den neuen CS-Investor.
Publiziert: 28.10.2022 um 18:47 Uhr
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Modernisierer oder skrupelloser Herrscher? Kronprinz Mohammed bin Salman investiert mit der Saudi National Bank in die CS.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Der Aufschrei ist gross. Die Credit Suisse (CS) hat am Donnerstag angekündigt, dass die Saudi National Bank bis zu 1,5 Milliarden Franken in die Schweizer Grossbank investieren werde. Damit wird die saudische Bank mit einer Beteiligung von 9,9 Prozent zur stärksten Aktionärin.

Wie so vieles in Saudi-Arabien wird auch die Saudi National Bank von der Königsfamilie gelenkt. Der starke Mann: Kronprinz Mohammed bin Salman (37), der dem saudischen Staatsfonds vorsteht, das Amt des Verteidigungsministers ausübt und seit September auch noch Premierminister ist.

Der Frauenförderer

Wer ist dieser Mann, der bei der CS mitmischt? MBS, wie der Kronprinz auch genannt wird, ist ein Mann mit zwei Gesichtern. Auf der einen Seite gilt er als Modernisierer, der Auspeitschung und Todesstrafe für Jugendliche abgeschafft hat und sein Land auf eine Zukunft ohne den Verkauf von Erdöl vorbereitet.

Ihm haben die Frauen eine weitreichende Liberalisierung zu verdanken: Sie dürfen Auto fahren, müssen sich nicht mehr verhüllen, können selbständig reisen und ins Kino gehen. Er hat ihnen gegen den Widerstand der religiös-konservativen Kreise auch ermöglicht, am Erwerbsleben teilzunehmen. Innerhalb von zwei Jahren ist die Erwerbsquote der Frauen von 20 auf 33 Prozent angestiegen.

Nachdem ihn sein offenbar kranker Vater, König Salman (86), 2017 zum Leiter des neu geschaffenen Anti-Korruptions-Komitees ernannt hatte, liess er über 200 Geschäftsleute, Politiker und Prinzen verhaften und insgesamt 106 Milliarden Dollar zugunsten der Staatskasse einziehen.

170 Kilometer langes Haus geplant

Spektakulär ist seine «Vision 2030», mit der er das Land neu ausrichten will. Das Kernstück bildet der Bau einer gigantischen Stadt- und Sonderwirtschaftszone im Dreiländereck mit Ägypten und Jordanien. Das Projekt «Neom» umfasst ein Gebiet so gross wie die Deutschschweiz und soll 500 Milliarden Dollar kosten.

Die unabhängige Wirtschaftszone wird über ein eigenes Rechts- und Steuersystem verfügen und ausschliesslich mit Wind- und Sonnenkraft gespeist werden. Für neun Millionen Einwohner ist ein 170 Kilometer langes, 500 Meter hohes und 200 Meter breites Gebäude geplant, das durch eine Metro erschlossen ist.

Brutaler Herrscher

Doch so modern und visionär sich MBS gibt, so rückständig handelt er, wenn ihm widersprochen wird. Amnesty International bezeichnet seine Regierungszeit als die dunkelste im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten.

Bekanntestes Beispiel ist das brutale Vorgehen gegen Jamal Khashoggi (†59), der 2018 wohl unter MBSs Billigung im saudischen Generalkonsulat in Istanbul getötet und zersägt wurde. Jüngstes Beispiel seiner skrupellosen Gewaltherrschaft ist die Verurteilung von Salma al-Shehab (34) wegen regimekritischer Twitter-Nachrichten. Sie kassierte im August eine Strafe von 34 Jahren Gefängnis mit anschliessendem Reiseverbot für ebenfalls 34 Jahre. Ihr Account hatte nicht einmal 3000 Follower.

Auch sein Auftritt als Feldherr wurde zum Desaster. Zwei Monate nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister im Jahre 2015 gab der damals 29-jährige MBS den Befehl zum Angriff auf die Huthi-Rebellen im Jemen. Mit dieser Offensive wollte er mit einem raschen Sieg den Rivalen Iran als Schutzmacht der Huthi niederschlagen.

Noch immer dauert der Krieg an, bisher sind über 100’000 Menschen getötet worden. Einen Ausweg aus der Gewaltspirale zu finden, ist schwierig. US-Präsident Joe Biden (79) hat die militärische Unterstützung für Saudi-Arabien eingestellt.

«Neues Zeitalter des Terrors»

Seine Kritiker sagen, dass MBS nur scheinbar ein Reformer sei. Die saudische Sozialanthropologin Madawi al-Rasheed (60) schreibt in einer Kolumne im «Middle East Eye», dass er als «junger, visionärer zukünftiger König» dargestellt werde, dessen offizielle Propaganda sich bemühe, ein neues Zeitalter des Terrors zu verbergen.

Ihr Urteil über den Kronprinzen: «Er ist eine unbeholfene Mischung aus Stalins eiserner Faust und westlichem neoliberalem Kapitalismus.»

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