In Moldawien, einem Land flächenmässig etwa so klein wie die Deutschschweiz und das Tessin, geht die Angst um. «Wenn die Ukraine fällt, ist die Republik Moldawien dran», schreibt der bekannte Schriftsteller Vitalie Ciobanu (57) in einer Gastkolumne in der «Deutschen Welle».
Das Armenhaus Europas, wie das kleine Land zwischen der Ukraine und Rumänien auch genannt wird, könnte sich bei einem Angriff Putins nicht verteidigen. Die Armee zählt 5000 Soldaten, 44 Panzer und drei Transportflugzeuge. Es gibt keine Nato, die hilft, und aus der angestrebten EU-Mitgliedschaft dürfte wohl nichts werden.
So klein das Land auch ist – Moldawien hat seit Kriegsausbruch Grosses geleistet. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl von 2,6 Millionen Einwohnern hat es bisher von allen Ländern am meisten Flüchtlinge aufgenommen, nämlich gegen 400’000. Viele von ihnen sind inzwischen in andere Länder transportiert worden.
Berner floh aus Odessa
Der Berner Musiker Bänz Margot (44) erlebt die Hilfsbereitschaft vor Ort. Ihn hat es per Zufall in die Hauptstadt Chisinau verschlagen, nachdem er in Odessa Ferien verbracht hatte. Die ukrainische Hafenstadt am Schwarzen Meer ist für ihn zur zweiten Heimat geworden.
• Fläche: 33'843 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 2,5 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 5726 Dollar (Schweiz: 90'000 Dollar)
• Sprachen: Rumänisch, Russisch, Ukrainisch, Gagausisch
• Unabhängigkeit: 27. August 1991 (von der Sowjetunion)
• Währung: Moldauischer Leu, Transnistrischer Rubel
* Bruttoinlandprodukt nominal
• Fläche: 33'843 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 2,5 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 5726 Dollar (Schweiz: 90'000 Dollar)
• Sprachen: Rumänisch, Russisch, Ukrainisch, Gagausisch
• Unabhängigkeit: 27. August 1991 (von der Sowjetunion)
• Währung: Moldauischer Leu, Transnistrischer Rubel
* Bruttoinlandprodukt nominal
Wenige Stunden bevor Putin am 24. Februar seine Truppen losschickte, sass Margot in Odessa in einer Bar. Gegenüber Blick erzählt er: «Ich ging um drei Uhr nach Hause und legte mich ins Bett. Kurz darauf erwachte ich und las auf meinem Natel die vielen Meldungen, die vom Kriegsausbruch berichteten.»
Er entschloss sich auf Drängen von Bekannten, die Stadt zu verlassen. Mit einem Amerikaner teilte er sich ein Taxi und fuhr Richtung Moldawien. Die Fahrt war schlimm. «Wir rechneten jeden Moment mit einem Angriff», erzählt Margot. Erst nach der Grenze fühlte er sich in Sicherheit.
Für die rund 180 Kilometer bis zur moldawischen Hauptstadt Chisinau benötigten sie wegen des Staus an der Grenze sechs Stunden.
Kaum Essen
In Chisinau erlebte der Berner das grosse Leid der Flüchtlinge. «Ich half, wo ich konnte und schlief zwei Wochen lang nur zwei Stunden pro Nacht.» Es seien laufend Busse mit Ukrainern eingetroffen. «Die Leiterin eines Flüchtlingslagers weinte in meinen Armen, weil sich nicht wusste, was sie ihnen zu essen geben sollte», erzählt Margot.
Margot fühlte, dass er da gebraucht wurde. Zusammen mit Kollegen gründete er eine Facebook-Gruppe sowie die Hilfsorganisation humanfrontaid.org. Sein Hauptziel: Leute aus der Ukraine holen. «Die Moldawier hier schätzen uns sehr», sagt Margot. «Sie verehren uns wie Helden und Götter. Dabei sind sie die wahren Helden!»
Bleibt bis Kriegsende
Viele hätten Angst, dass Putin nach der Eroberung von Gebieten der Ukraine auch Moldawien angreifen könnte. «Ich selber glaube nicht daran», sagt Margot zu Blick. «Er ist zurzeit zu sehr in der Ukraine beschäftigt.» Wenn Putin Moldawien angreifen würde, dann höchstens, um die russische Bevölkerung in Transnistrien zu «schützen», so wie er es im Osten der Ukraine schon macht.
Von Moldawien hat Margot bisher nicht viel gesehen. «Das Leid ist gross. Es kommen viele Frauen mit Kindern, ich habe keine Zeit für anderes», sagt er. Die schönen Weinkeller und andern Sehenswürdigkeiten kenne er nur vom Hörensagen.
Aber er werde sich alles anschauen, wenn der Krieg vorbei sei. Margot: «So lange bleibe ich in Moldawien. Ich kann diese Menschen hier nicht im Stich lassen.»