Das musst du zum geplanten Handelskorridor zwischen Asien, Europa, dem Nahen Osten und den USA wissen
So funktioniert die Anti-Seidenstrasse

Mit einer Handelsroute will der Westen gegen die Neue Seidenstrasse der Chinesen ankämpfen. Wir zeigen, wie das gigantische Projekt funktionieren soll, wie es sich vom chinesischen Korridor unterscheidet und wo die Herausforderungen liegen.
Publiziert: 18.09.2023 um 18:18 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2023 um 15:16 Uhr
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Der Hamburger Hafen ist das Ende der chinesischen Neuen Seidenstrasse.
Foto: imago/Rupert Oberhäuser
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Guido FelderAusland-Redaktor

Am G20-Gipfel vom 9. und 10. September in Indien haben die Staatsvertreter den Grundstein für ein gigantisches Projekt gelegt. Sie wollen Indien, Europa und die USA durch den sogenannten «India-Middle-East-Europa-Economic Corridor» (Imec) miteinander verbinden. Das Ziel ist klar: Die Handelsroute soll eine Konkurrenz zur Neuen Seidenstrasse sein, die China zurzeit aufbaut.

Wir sagen, was du über die «Anti-Seidenstrasse» wissen musst.

Was ist die Anti-Seidenstrasse?

Die USA, die EU, Saudi-Arabien und Indien wollen einen Korridor zwischen Asien, dem Nahen Osten und Europa aufbauen. Logistisch ist das nicht ganz einfach: Per Schiff werden Waren von Indien nach Dubai gebracht, dann gehts per Zug durch die Wüste nach Haifa in Israel, dann wieder per Schiff zum griechischen Hafen Piräus und dann erneut per Bahn nach Westeuropa.

Zum Projekt gehört auch die Produktion von grünem Wasserstoff, der über Pipelines transportiert werden soll. Mit der Verlegung von Unterseekabeln sollen Kommunikation und der Datentransfer verbessert werden.

Welches sind die Unterschiede zur Seidenstrasse der Chinesen?

Abgesehen von der Route gibt es drei Hauptunterschiede.

  • Die Kosten: Chinas Investitionsvolumen beträgt rund 900 Milliarden Dollar, das Projekt des Westens wird auf 600 Milliarden berechnet.

  • Das Angebot: Im Gegensatz zu China will der Westen nicht nur in den Transport von Waren investieren, sondern auch in die digitale Verknüpfung, die Produktion von sauberer Energie sowie die Förderung der Ausbildung in den betroffenen Ländern.

  • Der Besitzer: Bei der chinesischen Seidenstrasse handelt es sich um ein staatliches Projekt, das mit Kreditvergaben und Schulden Abhängigkeiten schaffen und ausländische Infrastruktur an sich binden will. Bei der Anti-Seidenstrasse soll auch die Privatwirtschaft eingebunden werden.

Wer finanziert das Projekt?

US-Präsident Joe Biden (80) hat an die Kosten von rund 600 Milliarden Dollar einen Beitrag von 200 Milliarden Dollar angekündigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64) will wohl jene 300 Milliarden investieren, die schon Ende 2021 für die Global-Gateway-Initiative, ein Vorgängerprojekt der EU, angekündigt worden waren. Weitere Beiträge haben Saudi-Arabien, Japan und Kanada zugesichert. Auch private Firmen sollen sich beteiligen.

Wann wird die Anti-Seidenstrasse in Betrieb genommen?

Während die Anfänge der chinesischen Seidenstrasse schon gemacht sind, steckt das Projekt des Westens erst als Absichtserklärung in den Köpfen der Initianten. Die Teilnehmer des G20-Gipfels haben abgemacht, innert 60 Tagen erneut zusammenzukommen, um einen Aktionsplan mit Zeitplänen zu entwickeln.

Kamran Bokhari, Experte für den Mittleren Osten an der Universität Ottawa, schreibt auf cicero.de, dass sich der Korridor wegen der vielen Hindernisse wohl vorerst auf die Seeroute beschränken werde, die Indien mit den arabischen Golfstaaten verbindet.

Was sind die Probleme?

Bei einem derart gigantischen Projekt gibt es viele Herausforderungen. Dazu zählen, dass gleichzeitig Israel und Saudi-Arabien daran teilnehmen. Für eine Zusammenarbeit müssen sich die beiden zerstrittenen Regierungen zuerst noch finden. Ein anderes Problem dürfte der Hafen Piräus werden, ein zentraler Punkt der Anti-Seidenstrasse. Dieser in Griechenland gelegene Hafen ist heute in Besitz der Chinesen.

Welche politische Bedeutung hat das Projekt?

Es ist ein starkes Signal gegen die Neue Seidenstrasse der Chinesen und ein Angebot für Staaten, die sich in den vergangenen Jahren China und Russland angenähert haben. So ist Italien Teil des chinesischen Projekts. Da das Land aber immer noch mehr Waren aus China importiert statt nach China exportiert, ist die Euphorie schon wieder verflogen. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (46) will den Ende 2024 laufenden Vertrag mit China nicht verlängern. Da kommt das Gegenangebot des Westens gerade recht.

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