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Der Westen gerät in Rückstand
«Die Schweiz braucht eine China-Strategie»

Das Freihandelsabkommen der Schweiz mit China sei zwar eine gute Basis, sagt China-Experte Ruedi Nützi. Doch weil in China nichts ohne Unterstützung der Behörden geht, müssten der Schweizer Staat und die Wirtschaft deutlich besser zusammenarbeiten.
Publiziert: 10.11.2018 um 19:37 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2020 um 19:21 Uhr
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Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und der chinesische Handelsminister Chen Deming beim Unterzeichnen des Freihandelsabkommens Schweiz–China 2012.
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Claudia Gnehm

Die forsche Einkaufstour der Chinesen könne man ihnen nicht zum Vorwurf machen, sagt Ruedi Nützi, China-Experte und Direktor der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz. «China hat einen Plan, denkt langfristig und geht sehr zielorientiert und konsequent vor.»

Das Problem sei eher, dass weder die USA, die EU noch die Schweiz eine ähnlich klare Vorstellung haben, wohin die eigene Reise gehen soll. «Die beste Antwort auf die chinesische Herausforderung ist eine Schweiz-Strategie 2030, die über China hinausgeht.»

Die günstige Werkbank ist passé

Für Schweizer Unternehmen ist das heutige China nicht mehr das, was sie 2014 beim Start des Freihandelsabkommens Schweiz–China angetroffen haben. Rund 800 Schweizer Unternehmen sind in China tätig. Die günstige Werkbank ist definitiv passé, zu stark sind die Löhne gestiegen. Weiterhin ist China ein Absatzmarkt mit riesigem Wachstumspotenzial für Qualitätsprodukte. Aber China stellt inzwischen selber unzählige Qualitätsprodukte her, die hier verkauft werden, oft ohne dass die Konsumenten es wissen – weil sie unter einer westlichen Marke laufen.

Im Bereich Robotik hat China die lange führenden Länder Südkorea, Japan, die USA und Deutschland bereits abgehängt. «Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss sich die Schweiz mit den Besten messen», fordert Nützi.

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Doch für China sollte sich die Wirtschaft besser mit der Politik koordinieren. «Denn in China geht oft nichts ohne die Unterstützung der politischen Behörden», weiss Nützi.

Zwar sei die Schweiz mit dem Freihandelsabkommen und der Innovationspartnerschaft aus dem Jahr 2016 eng mit China verbunden. Doch der Schweizer Föderalismus führt dazu, dass viele Akteure (Bund, Kantone, Städte, Unternehmen) eigene – aber leider unkoordinierte – China-Aktivitäten unterhalten. «Weil China hingegen gegenüber Partnern aus einer Hand und sehr zielorientiert agiert, braucht die Schweiz eine umfassende China-Strategie», sagt Nützi.

«China ist eigentlich eine Zumutung»

Wie Uli Sigg verlangt auch Nützi, dass die Schweiz mehr Gegenrechte in China einfordert: «Der Bundesrat muss aktiv werden, um Schweizer Auftritte in China zu stärken.» Allerdings halte er nichts davon, China zu einem Gegner zu erklären und Handelsbarrieren zu erreichten. Vielmehr brauche die Schweiz eine eigene Vorstellung, in welchen Bereichen Restriktionen gelten.

Zum Beispiel dürften Schweizer in China nie Beteiligungen an Unternehmen der Stromversorgung kaufen können. Dasselbe muss für die Schweiz gelten. Beim Projekt der neuen Seidenstrasse sieht er Chancen für die Schweiz, zum Beispiel im Bereich der Umweltstandards. Doch wenn Schweizer Firmen Projekte der neuen Seidenstrasse realisieren wollen, brauche es einen Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft.

«China ist für die Schweiz eigentlich eine Zumutung. Aber eine positive, weil uns die Auseinandersetzung mit China die eigenen Stärken und noch zu lösenden Hausaufgaben vor Augen führt», sagt er.

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