Die Auftritte der Corona-Taskforce der US-Regierung sind fast schon legendär. Im Monat März und April hielt US-Präsident Donald Trump (73) zusammen mit seinem Chef-Virologen Anthony Fauci (79) und Ex-Militärärztin Deborah Birx (64) täglich eine Pressekonferenz ab. Dabei tappte Trump vom einen Fettnäpfchen ins andere. Der Höhepunkt war wohl erreicht, als der US-Präsident den Amerikanern Ende April vorschlug, als Vorsichtsmassnahme vor dem Coronavirus Desinfektionsmittel zu spritzen.
Als im Mai immer mehr Bundesstaaten Lockdown-Öffnungen bekanntgaben und zuweilen eine neue Normalität einkehrte, verschwand die Corona-Taskforce von der Bildfläche. Donald Trump soll sich bereits seit zwei Monaten nicht mehr mit seinen Beratern getroffen haben, vermeldeten US-Medien zuletzt. Doch angesichts der rapiden Zunahme der Coronavirus-Neuinfektionen im Süden des Landes hat sich der US-Präsident gezwungen gesehen, die Taskforce vergangene Woche zu reanimieren. Dabei schob er allerdings Vizepräsident Mike Pence (61) vor, der am Freitag die erste Pressekonferenz der Taskforce seit Monaten leitete.
Fauci wütend wegen Party-Videos
Die Corona-Krise in Amerika hatte da längst schon eine neue Dimension erreicht. Mittlerweile liegt die Zahl der Neuinfektionen derzeit bei rund 40'000 pro Tag – mehr als an den meisten Tagen der Hochphase der Pandemie im April. Mittlerweile wird zwar auch mehr getestet, allerdings verzeichnen viele Städte mehr Einlieferungen in Krankenhäuser. Insgesamt wurden fast 2,6 Millionen Infektionen und 126'000 Todesfälle erfasst. Die tatsächliche Zahl der Corona-Infektionen dürfte um ein zehnfaches höher sein, befürchten Experten.
Nun haben besorgte Senatoren Anthony Fauci zu einer Anhörung einbestellt. Der führende Gesundheitsexperte des Landes zeichnete am Dienstag eine düstere Zukunft für sein Land. «Wir sprechen von bald bis zu 100'000 Neuinfektionen pro Tag, wenn wir den Anstieg in den betroffenen Bundesstaaten nicht unter Kontrolle bringen können», sagte er an die demokratische Senatorin Elizabeth Warren (71) gerichtet. Er sei «sehr besorgt», so Fauci, der zuletzt wie die gesamte Taskforce von der Bildfläche verschwunden war.
Dann legte der Chef-Virologe nach und kritisierte die Strategie der US-Regierung – ohne Trump beim Namen zu nennen. «Wir bewegen uns in die falsche Richtung», so Fauci. Er nahm aber auch die US-Bürger in die Pflicht und zeigte sich entsetzt von Videoaufnahmen, die in sozialen Netzwerken zirkulieren. Sie zeigen mehrheitlich junge Menschen ausgelassen beim Feiern – ob in der Bar oder am Strand. «Wenn sich die Menschen nicht an unsere Massnahmen halten, werden wir weiter grosse Probleme haben», warnte er. Die Pandemie könne nur eingedämmt werden, wenn die Menschen in der Öffentlichkeit konsequent Masken trügen und auf ihren Sicherheitsabstand achteten, so Fauci.
Düstere Lage in Arizona, Bars und Strände zu in Kalifornien
In vielen Bundesstaaten Amerikas ist derzeit die Einsicht eingekehrt, dass man wieder einen Schritt zurück machen muss. In Texas, Florida, Kalifornien und Arizona pausierten die Gouverneure phasenweise Lockerungen von Corona-Auflagen oder machten sie rückgängig. Arizonas Gouverneur Douglas Ducey (56) beschränkte die Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen zunächst bis Ende Juli wieder auf 50 – und das nur eine Woche nach einem Auftritt von Trump mit zahlreichen Zuschauern. «Wir gehen davon aus, dass sich unsere Zahlen verschlechtern werden», sagte der Gouverneur. In dem Bundesstaat mit gut sieben Millionen Einwohnern gibt es bislang rund 75'000 bestätigte Coronavirus-Infektionen.
In Südkalifornien sollen am kommenden Feiertagswochenende im Bezirk Los Angeles die Strände geschlossen bleiben. Auch Fahrradwege, Parkplätze und Piers sind von Freitag bis Montag nicht zugänglich, teilte der Bezirk am Montagabend mit. Ebenso wurde das traditionelle Feuerwerk zum Nationalfeiertag (4. Juli) abgesagt. Gouverneur Gavin Newsom (52) hatte am Sonntag in Teilen des US-Bundesstaats eine erneute Schliessung von Bars angeordnet. Der Erlass gilt in sieben Bezirken, darunter auch in den Millionenmetropolen Los Angeles und San Diego. Kalifornien hatte sehr früh als Vorsichtsmassnahme Corona-Beschränkungen erlassen, diese zuletzt aber langsam gelockert. Newsom hatte Mitte Juni für den Westküstenstaat mit knapp 40 Millionen Einwohnern eine Maskenpflicht angeordnet.
Auch in Teilen Floridas sollten die Strände geschlossen bleiben. In der Stadt Jacksonville, wo Trump im August im Zuge des Parteitags als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gekürt werden soll, sollen nun in öffentlichen Gebäuden, in denen Abstandsvorgaben nicht eingehalten werden können, Masken getragen werden. Trumps Republikaner hatten ihren Parteitag wegen zu strenger Corona-Auflagen in North Carolina zum Teil nach Florida verlegt.
South Dakota will von Lockdown nichts wissen – wegen Trump-Besuch?
Der Bundesstaat Nevada verschob die nächste Stufe seiner Lockerungen am Montag bis Ende Juli. Gouverneur Steve Sisolak (66) appellierte an die Bürger, in der Öffentlichkeit weiter eine Maske zu tragen und sich an den empfohlenen Sicherheitsabstand zu halten. Der Bundesstaat New Jersey verschob die für Donnerstag geplante Erlaubnis für Restaurants, Gäste wieder in geschlossenen Räumen bewirten zu dürfen. In Texas wurde zuletzt eine Schliessung von Bars angeordnet.
Aus dem Bundesstaat South Dakota gab es hingegen ganz andere Signale. Dort sollen am Freitag am berühmten Denkmal von Mount Rushmore im Beisein von Trump Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag stattfinden. Gouverneurin Kristi Noem (48) rief die Menschen zum Kommen auf. «Wir haben den Leuten gesagt, die Bedenken haben, dass sie zu Hause bleiben können», sagte die Republikanerin dem Sender Fox News. An die Teilnehmer sollen Gesichtsmasken ausgegeben werden, die wahlweise getragen werden könnten. «Aber wir werden keine soziale Distanz wahren», sagte Noem. Die Menschen sollten kommen, um zu feiern, um «die Freiheiten zu geniessen, die wir in diesem Land haben». (nim/SDA)