Es sind Städte wie Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine, die aktuell entscheidend scheinen. Doch die Stadt scheint kurz davor zu stehen, an Russland zu fallen. Präsident Wolodimir Selenski (44) hat Sjewjerodonezk bereits als «tote» Stadt bezeichnet.
Russland hat sie dem Erdboden gleich gemacht, kaum Zivilisten befinden sich noch dort. Doch die Kämpfe bleiben hart, die Ukraine zieht sich nicht zurück.
Das hat laut Militäranalysten, die die «New York Times» zitiert, nicht nur damit zu tun, dass die Ukrainer die Stadt nicht in russische Hand fallen lassen wollen. Dahinter steckt eine klare Strategie: Die Ukrainer versuchen, die russischen Streitkräfte in Strassenkämpfe verwickeln.
«Die Russen kämpfen schlecht in den Strassen»
Das bestätigt auch der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak (50) gegenüber der Zeitung. «Die Russen kämpfen schlecht in den Strassen», sagt er. «Dort ist es für uns möglich, sich frei zu bewegen und Schutz zu suchen. Dadurch minimiert man die Verluste. Wir können dort längere Zeit gegenhalten und den Russen wiederum Verluste zufügen.»
Das hatte schon in den Städten und Dörfern um die Hauptstadt Kiew zu Beginn des Kriegs funktioniert.
Auch Gustav Gressel (43), Ukraine-Experte des European Council on Foreign Relations, sieht das so. Er sagt: «Wenn es den Ukrainern gelingt, sie in einen Strassenkampf zu verwickeln, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Russen Verluste erleiden, die sie sich nicht leisten können.»
Grosses Risiko für Ukrainer
Doch die Ukrainer gehen mit dieser Taktik ein Risiko ein. Sie riskieren, in der Stadt eingeschlossen zu werden. Das wird jetzt in Sjewjerodonezk noch wahrscheinlicher. Denn die letzte Brücke, die eine schnelle Flucht ermöglichen könnte, wurde zerstört.
Die Strategie wird wohl trotzdem genutzt, weil die Ukraine aktuell angibt, kaum noch schwere Waffen zu haben. Bei Artillerie- und Panzergefechten auf offenem Feld steht die Ukraine wegen Waffenmangels schlechter dar als im Nahkampf auf den eigenen Strassen. (euc)