Die Tage der «grenzenlosen Freundschaft» zwischen China und Russland scheinen vorbei. Statt sich geeint gegen den Westen zu stellen, zanken sich die beiden Staatsoberhäupter Xi Jinping (70) und Wladimir Putin (70) lieber. Der neueste Riss in der Fassade: Chinas Teilnahme am Ukraine-Friedensgipfel in Dschidda, der von Saudi-Arabien organisiert und grösstenteils von westlichen Abgeordneten besucht wurde.
Chinas «aktive Mitarbeit», wie sich EU-Vertreter nach Ende des Gipfels gegenüber «The Guardian» zitieren lassen, ärgert den russischen Premierminister Dmitri Medwedew (57). So hätte das alles «keine Aussicht auf Erfolg», schrieb er auf Telegram. Der Feind, also die Ukraine, müsse «auf den Knien kriechen und um Gnade flehen». China sieht das offensichtlich anders – und arbeitet derzeit mit viel Geschick daran, sich als Friedensmacht zu inszenieren.
Putin schneidet sich ins eigene Fleisch
Dass sich China so dezidiert gegen Russland stellt, hat Putin sich selbst zu verdanken: Mitte Juli hat er seine Drohung wahr gemacht und das Getreideabkommen mit der Ukraine gestoppt. Das ist nicht nur für die Ukraine und Länder in Afrika, sondern auch für China ein grosses Problem. Denn: Der grösste Importeur von Getreideprodukten unter dem Abkommen ist China, wie Daten der Uno zeigen. China hat fast einen Viertel der 33 Millionen Tonnen Getreide, die auf Grundlage des Abkommens verschifft wurden, für sich beansprucht. Das Land hat also grosses Interesse daran, dass das Abkommen fortbesteht.
Auch, dass bei den russischen Angriffen auf Odessa die chinesische Vertretung in der ukrainischen Hafenstadt in Mitleidenschaft gezogen wurde, war kein positives Signal vonseiten Russlands. Zudem hat der versuchte Putsch von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (62) gezeigt, dass Putin kein so mächtiger Herrscher ist, wie er gerne vorgibt – für Xi ein Problem.
Mehr zur Beziehung zwischen China und Russland
Dass Putin das Abkommen nicht verlängert hat, ist ein Risiko für ihn. Zwar erhöht er damit den Druck auf die Ukraine und den Westen. Aber er stösst auch seinem wichtigsten Verbündeten vor den Kopf. Kein Wunder, dass Xi den letzten Streich Putins nicht begrüsst – und nun seinen eigenen Zwölf-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine dem Westen noch schmackhafter machen möchte. Dort ist das Getreideabkommen nämlich fest verankert. Und auch wenn China seine eigenen Vorstellungen vom Frieden hat, begrüsst der Westen wohl die Abkehr von Russland.
- Aufrechterhaltung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Länder
- Militärische Blöcke dürfen nicht erweitert werden (Anspielung auf geplante Nato-Erweiterung)
- Kriegsmentalität einstellen
- Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen
- Bewältigung der humanitären Krise
- Schutz der Zivilisten und Kriegsgefangenen
- Sicherstellung des Schutzes der Atomkraftwerke
- Einstellung des Atomwaffen-Risikos
- Umsetzung der Getreideexporte
- Einstellung einseitiger Sanktionen
- Unterstützung der Lieferketten und Industrie
- Förderung des Wiederaufbaus nach dem Krieg
- Aufrechterhaltung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Länder
- Militärische Blöcke dürfen nicht erweitert werden (Anspielung auf geplante Nato-Erweiterung)
- Kriegsmentalität einstellen
- Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen
- Bewältigung der humanitären Krise
- Schutz der Zivilisten und Kriegsgefangenen
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- Umsetzung der Getreideexporte
- Einstellung einseitiger Sanktionen
- Unterstützung der Lieferketten und Industrie
- Förderung des Wiederaufbaus nach dem Krieg
USA und China nähern sich wieder an
Gleichzeitig mit dem angedeuteten Bruch mit Russland wagt China wieder erste Annäherungsversuche zu den USA. Nach monatelanger diplomatischer Eiszeit haben sich die amerikanisch-chinesischen Kontakte in den vergangenen Monaten wieder intensiviert: Nach Finanzministerin Janet Yellen (76) war überraschenderweise auch der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger (100) zu Gast in Peking. In zwei Wochen soll US-Handelsministerin Gina Raimondo (52) nach Peking reisen und über Export-Kontrollen sprechen, die die chinesische Wirtschaft derzeit empfindlich treffen.
Auch wenn China und Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch noch immer eng miteinander verstrickt sind, zeigt die gegenseitige Distanzierung: Putin will sich nicht von seinem Partner die Hände binden lassen – und Chinas Einfluss auf Russland wird möglicherweise überschätzt. Dass China sich öffentlich stärker von Russland distanziert, ist jedoch unwahrscheinlich. Zu sehr braucht Peking Unterstützung gegen den gemeinsamen Widersacher, die USA. Denn das stärkste Band der Freundschaft ist bekanntlich ein gemeinsamer Feind.