CDU nominiert Armin Laschet als Kanzlerkandidat – Historiker Andreas Rödder im Blick-Interview
«Deutschland ist ein Sanierungsfall»

Armin Laschet ist der Kanzlerkandidat der CDU. Was kann er? Welches sind seine Defizite? Wie gross ist die Gefahr von den Grünen? Historiker Andreas Rödder erklärt Blick, worauf sich die CDU gefasst machen muss.
Publiziert: 20.04.2021 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2021 um 22:56 Uhr
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Andreas Rödder ist Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und CDU-Mitglied.
Foto: Philippe Rossier
Interview Guido Felder

Herr Rödder*, war das nun die Entscheidung? Ist Armin Laschet der neue deutsche Kanzler?
Nein. Es ist ein Vorentscheid für die Union, aber nicht für die Bundestagswahl. Das Rennen ist völlig offen – offener denn je.

Ist das Rennen in der Partei gelaufen oder könnte der Entscheid noch gekippt werden? Kommts gar zum Aufstand der Basis?
Da Söder das Ergebnis anerkennt, glaube ich nicht, dass es zu einem Aufstand kommt. Dafür ist die CDU viel zu diszipliniert. Aber die Logik der Gremien und der Funktionäre hat an Glaubwürdigkeit verloren, und dadurch hat die Struktur der Partei einen längerfristigen Schaden genommen.

Glauben Sie, dass die gespaltene Union wieder zu einer Einheit zusammenfindet?
Das ist die grosse Frage. Die Risse in der Union liegen im Fundament, und sie sind nicht über Nacht entstanden. Andererseits ist Laschets Stärke die Fähigkeit zur Integration. Und man darf eines nicht unterschätzen: die Fähigkeit von Politik zur Autosuggestion, einfacher gesagt, die Dinge schönzureden.

Glauben Sie daran, dass Söder Laschet unterstützen wird?
Politiker sind ja immer auch Parteisoldaten und in der Lage, die professionelle Fassade zu wahren. Das wird Söder – jedenfalls gegen aussen – auch tun. Bei einer Wahlniederlage der Union aber würde Söder alles in der Hand haben, um Laschet als den Schuldigen dastehen zu lassen.

Wie schädlich ist das Chaos in der CDU für den Wahlkampf?
Es ist ein Fehlstart für die Union, vor allem auch, wenn man sieht, welch reibungslosen Start die Grünen hingelegt haben. Die Zeichen für die CDU stehen auf Sturm!

Wer profitiert am meisten davon?
Im Moment die Grünen. Auch deshalb, weil sie sich als inhaltlich fundierte und im Umgang elegantere Partei von der CDU abheben können, die eine Machtmaschine ist, zurzeit aber nicht wirklich funktioniert.

Sie sagen, dass das Kanzlerrennen völlig offen sei. Haben denn die Grünen überhaupt eine Chance, das Kanzleramt zu gewinnen?
Warum nicht? Es gibt mehr als eine Koalitionsoption. Die Wahrscheinlichkeit, dass es für eine Ampelkoalition mit Grünen, der SPD und der FDP reichen würde, ist gar nicht so klein.

Welche Koalition hat die grössten Chancen?
Wenn es keine grossen Verschiebungen gibt, sieht es hauptsächlich nach drei Optionen aus: Union mit Grün, Union mit Grün und FDP oder eben Grün mit SPD und FDP. Überall wären übrigens die Grünen dabei. Aber es gäbe auch noch schwarz-gelb-rot, auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich ist. Das Rennen ist jedenfalls völlig offen.

Wäre Laschet ein guter Kanzler? Was würde sich unter ihm ändern?
Er ist ein grosser Integrierer, aber kein Stratege. Er wäre in der Lage, eine vernünftige bürgerliche Politik zu machen, wobei es eine Politik ist, die kein wirklich strategisches Ziel verfolgt. Andererseits ist er in der Lage, kluge Berater und starke Personen um sich zu versammeln.

Wie muss er den Wahlkampf angehen?
Er braucht ein attraktives Angebot, mit dem die Union Vertrauen gewinnen kann, eine Idee für die Zukunft zu haben. Die Grünen haben ein politisches Ziel und eine politische Strategie, was den klimapolitischen Umbau der Gesellschaft angeht. Für die CDU wäre es wichtig, dem etwas Attraktives, etwas Markt- und Wettbewerbsorientiertes entgegenzustellen – und nicht nur einfach weiterzumachen wie bisher.

Wie würde sich Laschet auf internationalem Parkett bewegen?
Das ist bislang nicht sein Bereich gewesen, und er tritt nicht als echter Leader auf. Andererseits haben die testosterongesteuerten Männer nicht nur Vorteile erzielt. Zudem wachsen Politiker erfahrungsgemäss in die Aussenpolitik hinein. Man hätte Angela Merkel nie für eine Aussenpolitikerin gehalten, bevor sie Kanzlerin geworden ist.

Wie gehts für Deutschland nach der Ära Merkel weiter?
Mit einer ganz grossen Zahl an ungelösten Fragen und offenen Baustellen. Das reicht von Deutschlands völlig ungeklärter Rolle in Europa bis zur Infrastruktur des Landes. Das Land ist eine Reformbaustelle, um nicht zu sagen: ein Sanierungsfall. Es braucht kluge und strategische Veränderungen.

*Andreas Rödder (53) ist Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, Gastprofessor an der Johns Hopkins-Universität Washington und CDU-Mitglied.

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