Die Angst vor einer unkontrollierbaren Ausweitung des Blutvergiessens im Nahen Osten wächst. Neben den Kampfhandlungen im Gazastreifen kommt es seit Beginn des Kriegs am 7. Oktober auch im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon immer wieder zu Zusammenstössen zwischen der israelischen Armee und der libanesischen und vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Auf beiden Seiten gab es bereits Todesopfer.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (74) warnte die Hisbollah und ihren Anführer Hassan Nasrallah (63) am vergangenen Samstag: «Macht nicht den Fehler, in den Krieg einzusteigen. Das wäre der Fehler eures Lebens. Euer Einstieg in den Krieg wird das Schicksal des Libanons besiegeln.» Sein Verteidigungsminister Joav Galant (65) sagte, die Hisbollah spiele mit dem Feuer. «Die Bürger des Libanons müssen wissen, dass wenn Nasrallah einen Fehler begeht, das Schicksal Beiruts wie das Schicksal Gazas sein könnte», sagte Galant.
Spiel mit den Muskeln
Nasrallah beteuerte bei einer am vergangenen Samstag ausgestrahlten TV-Ansprache, es werde keinen grossen Krieg geben. Zugleich spielte er jedoch mit den Muskeln. Die Front gegen Israel bleibe aktiv. «Es gab eine quantitative Verbesserung bei der Anzahl der Einsätze, der Grösse und der Anzahl der Ziele sowie eine Zunahme bei der Art der Waffen.» Zum ersten Mal seien nun auch bewaffnete Drohnen und eine Rakete des Typs Burkan eingesetzt worden. Die Geschosse können zwischen 300 und 500 Kilo Sprengstoff transportieren und haben eine Reichweite von etwa zehn Kilometern. Sie werden von mobilen, auf Fahrzeugen montierten Rampen abgefeuert.
Das Arsenal der von zahlreichen Ländern als Terrorgruppe eingestuften Miliz ist eine Mischung aus alten, neuen, östlichen, westlichen, iranischen und lokal produzierten Waffen. Im vergangenen Mai präsentierte die Hisbollah der Öffentlichkeit laut einem Bericht von Al Jazeera einen Teil davon. Es wurden demnach unter anderem mindestens zwei Arten von elektronischen Drohnenabwehrwaffen vorgeführt. Zudem zeigte die Schiitenmiliz chinesische SK-18-Flugabwehrraketen, die von der Schulter aus abgefeuert werden.
Anti-Schiffs-Marschflugkörper, Fatah-110-Geschosse
Statt schwerfälliger, gut gepanzerter Fahrzeuge wurde eine Flotte geländegängiger Vierrad-Buggys ausgestellt. Einige davon mit Maschinengewehren bestückt, andere mit russischen oder iranischen Panzerabwehrraketen.
Gegen Seeziele verfügt die Hisbollah über die Noor, eine iranische Version eines chinesischen Anti-Schiffs-Marschflugkörpers. Gerüchten zufolge ist sie inzwischen auch im Besitz der in Russland hergestellten Jachont, die wesentlich wirksamer ist und eine grössere Reichweite hat. Laut dem israelischen Thinktank Institute for National Security Studies (INSS) verfügt die Hisbollah darüber hinaus über mehrere Hundert Fatah-110-Geschosse – ballistische Kurzstreckenraketen, die vom Iran entwickelt und hergestellt werden.
Video zeigt Angriff
Am Sonntag veröffentlichte die Hisbollah ein Video, das den Einsatz von Samir- und Ababil-T-Kamikaze-Drohnen gegen israelische Militäranlagen zeigt. Die aus dem Iran stammenden Drohnen werden bereits durch die ebenfalls von Teheran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen eingesetzt. Die beiden Systeme verfügen über eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern, einen Sprengkopf von ungefähr 50 Kilo und eine Funknavigation, mit der vom Boden aus ein Ziel anvisiert werden kann.