Krankenhäuser rücken in den Fokus der Kämpfe
Begeht Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen?

Wann ist die Belagerung eines Spitals ein Kriegsverbrechen? Diese Frage stellt sich die Welt im Zusammenhang mit der israelischen Offensive in Gaza. Warum die Antwort darauf so schwer ist, erklärt ein Rechtsexperte.
Publiziert: 14.11.2023 um 18:15 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2023 um 20:17 Uhr
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Wer begeht im Kampf um das Rantisi-Krankenhaus Kriegsverbrechen – Israel oder die Hamas?
Foto: AFP
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Israelische Soldaten haben nach Darstellung der Armee zahlreiche Waffen im Keller eines Krankenhauses in Gaza-Stadt gefunden. Es gebe auch Anzeichen dafür, dass im Keller des Rantisi-Krankenhauses Geiseln festgehalten worden sein könnten, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Montagabend. Die Terrororganisation Hamas streitet diesen Vorwurf ab – und verurteilt die heftigen Kämpfe, die sich rund um das Krankenhaus abspielen. Die beiden Seiten werfen sich gegenseitig Kriegsverbrechen vor.

Christoph Safferling (52) ist ein deutscher Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Im Interview mit Blick erklärt er, wieso es vorschnell wäre, heute Israel bereits den Bruch gegen das Völkerrecht vorzuwerfen.

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Seit die israelische Armee in den Gazastreifen eingerückt ist, stehen auch Krankenhäuser im Fokus der Kämpfe.
Foto: keystone-sda.ch

Blick: Krankenhäuser haben im Völkerrecht einen speziellen Status. Wieso dürfen die Spitäler in Gaza also belagert werden?
Christoph Safferling:
Krankenhäuser, Schulen und religiöse Einrichtungen geniessen im Völkerrecht besonderen Schutz. Allerdings ist dieser Schutz nicht absolut. Ein Krankenhaus kann zu einem legitimen Ziel werden, wenn es hauptsächlich für militärische Zwecke genutzt wird und die Zerstörung einen militärischen Vorteil bringt. In diesem Fall ist es grundsätzlich angreifbar.

Auch wenn Angriffe auf ein Spital Menschenleben fordern – im Beispiel des Rantisi-Krankenhauses also krebskranke Kinder?
Ja, aber es gibt Einschränkungen. Israel und die Hamas müssen darauf achten, dass die Schäden an der Zivilbevölkerung verhältnismässig sind und der militärische Vorteil die eventuellen Todesopfer rechtfertigt.

Wenn wir jetzt einen Blick auf die Spitäler im Gazastreifen werfen, die immer weiter in das Zentrum der Kämpfe rücken – ist die israelische Belagerung der Krankenhäuser gerechtfertigt?
Die israelische Armee muss sicherstellen, dass nur militärische Ziele angegriffen werden. Eine Belagerung oder ein Angriff sind nur gerechtfertigt, wenn es klare Beweise dafür gibt, dass diese Krankenhäuser für militärische Zwecke missbraucht werden.
Wichtig dabei ist: Die Partei, die derzeit die Kontrolle über das Gebiet hat, muss sicherstellen, dass das zivile Leben geschützt wird. Also aktuell ist das Israel. Das bedeutet, dass Krankenhäuser angemessen ausgestattet und funktionsfähig sein müssen.

Das heisst, es könnte theoretisch sein, dass beide Partien hier ein Kriegsverbrechen begehen.
Ja, das könnte theoretisch sein, also unter folgender Vorgabe: Die Verwendung von Zivilpersonen als Schutzschilde ist ein Kriegsverbrechen. Das wäre die eine Seite. Dann würde eine Belagerung des Krankenhauses durch Israel gerechtfertigt sein. Aber eben nur dann. Wenn das nicht der Fall ist, dann wäre auch das ein Kriegsverbrechen. Wir versuchen hier also, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Was fordern Sie zum aktuellen Zeitpunkt von den beiden Parteien Israel und Hamas?
Der Missbrauch der Zivilbevölkerung als Schutzschilde muss sofort aufhören und die Versorgung dieser Zivilbevölkerung muss sofort gewährleistet werden. Und diejenigen, die das jetzt aktuell verhindern, sind die Terroristen, die die Menschen als Schutzschilde missbrauchen. Diese Terroristen zu bekämpfen, ist eine grundsätzlich völkerrechtlich legitimierte Massnahme. Denn diese verhindern letztlich durch ihr verbrecherisches Verhalten die Versorgung der Zivilbevölkerung.

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