Auf einen Blick
Wenn wir in der Schweiz abstimmen, sorgt das Resultat bei den Verlierern am Sonntagabend oft für rote Köpfe. Doch am Montag ist die Niederlage verdaut, man geht wieder zur Tagesordnung über.
Anders dürfte es beim Referendum am Sonntag in der Republik Moldau sein: Stimmen die Moldauer einem EU-Beitritt zu, müssen sie mit einer heftigen Reaktion der Russen rechnen, die im kleinen Land zwei autonome Gebiete unterstützen. Selbst von einer Invasion ist die Rede. Wie realistisch ist dieses Szenario?
Das zwischen Rumänien und der Ukraine eingeklemmte Land hatte im Frühling 2022 in Brüssel ein EU-Beitrittsgesuch eingereicht und gilt inzwischen als offizieller Beitrittskandidat. Bei der Abstimmung am Sonntag geht es darum, das Ziel eines EU-Beitritts in die Verfassung aufzunehmen, um zu verhindern, dass zukünftige Regierungen Moldau wieder vom proeuropäischen Kurs abbringen könnten.
Präsidentin Maia Sandu (52) setzt alles auf eine Karte: Sie hat das EU-Referendum mit ihrer Wiederwahl verknüpft. Gibts ein Nein, ist auch sie weg. Umfragen deuten allerdings darauf hin, dass das Pro-EU-Lager mit 60 Prozent der Stimmen siegen dürfte.
Moskau kauft Stimmen
Moskau will ein Ja sowie die Wiederwahl der proeuropäischen Präsidentin mit allen Mitteln verhindern. Im Hinblick auf die Abstimmung hat der Kreml daher versucht, seinen Einfluss im 2,5 Millionen Einwohner zählenden Land auszubauen. Laut dem amerikanischen Nachrichtenportal foreignpolicy.com hat Russland Zehntausende Moldauer dafür bezahlt, nein zu stimmen.
Vor allem von den beiden autonomen prorussischen Gebieten Transnistrien und Gagausien aus wird Druck erzeugt.
Auch Kreml-freundliche Oligarchen spannt der Kreml ein. Ulrich Schmid (58), Russland-Experte an der Uni St. Gallen, sagt gegenüber Blick: «Eine wichtige Rolle spielt der Oligarch Ilan Sor, der gemeinsam mit der gagausischen Gouverneurin Jewgenia Hutsul ganz offen von Moskau aus Einfluss auf den prorussisch gesinnten Teil der moldauischen Bevölkerung zu nehmen versucht.»
Laut der moldauischen Polizei sind allein im September 15 Millionen Dollar von Russland auf Bankkonten überwiesen worden, die mit Ilan Sor (37) in Verbindung stehen.
Moskau wird reagieren
Für Schmid ist klar: Bei einem Ja dürfte der Kreml alles daran setzen, für Unruhe zu sorgen. Schmid: «Er wird darauf hinarbeiten, den De-facto-Staat in Transnistrien weiter zu halten, und das Autonomiestatut für das prorussische Gagausien als Einfallstor für weitere Destabilisierungsaktionen nutzen.»
• Fläche: 33'843 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 2,5 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 5726 Dollar (Schweiz: 90'000 Dollar)
• Sprachen: Rumänisch, Russisch, Ukrainisch, Gagausisch
• Unabhängigkeit: 27. August 1991 (von der Sowjetunion)
• Währung: Moldauischer Leu, Transnistrischer Rubel
* Bruttoinlandprodukt nominal
• Fläche: 33'843 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 2,5 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 5726 Dollar (Schweiz: 90'000 Dollar)
• Sprachen: Rumänisch, Russisch, Ukrainisch, Gagausisch
• Unabhängigkeit: 27. August 1991 (von der Sowjetunion)
• Währung: Moldauischer Leu, Transnistrischer Rubel
* Bruttoinlandprodukt nominal
Sogar von einer Invasion ist die Rede. Es ist ein Szenario, das die Regierung in Chisinau schon längere Zeit befürchtet, nachdem der Kongress der Volksdeputierten in Transnistrien Russland um Schutz vor der Republik Moldau gebeten hatte. Der Kreml hat diesen angeforderten Schutz als «prioritär» eingestuft und in Transnistrien Truppen stationiert. Mit nur 5000 aktiven Soldaten sowie ohne Luftwaffe und westliche Verbündete wäre das kleine Land eine leichte Beute.
Die Gefahr einer Invasion sei allerdings im Moment klein, meint Schmid – obwohl die Moldau als Gebiet, das sowohl zum Zarenreich als auch zur Sowjetunion gehörte, perfekt in das Beuteschema des Kremls passe. Schmid relativiert: «Es geht bei der Abstimmung um einen allfälligen Beitritt zur EU und nicht zur Nato.»
Auch foreignpolicy.com spricht von der Möglichkeit einer Invasion. Wegen der gebundenen russischen Kräfte in der Ukraine stehe die zwar momentan kaum bevor. Das Portal ergänzt jedoch: «Dies könnte sich in Zukunft jederzeit ändern.»