Alarm in Osteuropa – Experten ordnen ein
Jetzt nimmt Putin das nächste Land ins Visier

Geheimdienstchefs warnen vor kremlgesteuerten Schwerverbrechern, die in Osteuropa für Krisenstimmung sorgen sollen. Was hat Moskau vor? Kommt es zu einer weiteren Invasion? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 07.03.2024 um 15:03 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2024 um 14:56 Uhr
Heute schon sind russische Soldaten in der abtrünnigen Republik Transnistrien stationiert.
Foto: IMAGO/SNA
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Guido FelderAusland-Redaktor

In Osteuropa ist die Alarmbereitschaft erhöht worden, nachdem in einem Land massive hybride Operationen verzeichnet worden sind. Hinter den Angriffen soll der Kreml stehen. Ziel: Destabilisierung und Verhinderung einer näheren Anbindung an den Westen.

Bilden diese Angriffe die Vorbereitung für eine weitere russische Invasion? Wir liefern mit Experten eine Einschätzung.

Wovor wird gewarnt?

Es war Alexandru Musteata, der Direktor des Nachrichten- und Sicherheitsdienstes in der Moldau, der über hybride Operationen in einem «noch nie dagewesenen Ausmass» informierte. Musteata spricht laut dem Institute for the Study of War (ISW) einerseits von einer Verbreitung von Anti-EU-Stimmung auf sozialen Medien und durch kremlfreundliche Abgeordnete im Parlament. Er warnt aber auch davor, dass Russland plane, Proteste und interethnische Konflikte zu provozieren sowie wirtschaftliche und soziale Krisen zu schüren.

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Protest gegen den westlichen Kurs der moldauischen Regierung: Demonstranten deponierten im Februar vor dem Präsidentschaftsgebäude Teddybären, die mit Randensaft beschmiert waren.
Foto: keystone-sda.ch

Musteata schliesst nicht aus, dass dazu das organisierte Verbrechen aufgeboten werden könnte. Ulrich Schmid (58), Russland-Experte an der Uni St. Gallen, erklärt: «Er meint den Oligarchen Ilan Schor, dessen prorussische Partei im vergangenen Jahr vom moldauischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig verboten wurde.» Schor war 2017 in der Moldau wegen Milliardenbetrugs im Bankensystem zu einer Gefängnisstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden.

Welche Angriffe gibt es sonst noch?

Hybride Attacken sind in der Moldau nicht neu. Die ganze Palette kann jetzt schon beobachtet werden: Online-Angriffe, Hacken von Regierungsservern und Wahlsystemen, Veröffentlichen von Regierungsdokumenten, Anwerben von Spionen, Bustransporte von falschen prorussischen Wählern aus Transnistrien auf moldauisches Gebiet, Bestechung von Regierungsbeamten für prorussische Ziele.

Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, sagt zu Blick über die Wirkung hybrider Angriffe: «Zunächst gilt es, Regierung, Verwaltung und Gesellschaft zu erschüttern. Dann fällt das Land wie eine reife Frucht in die Hände des Opponenten. Streitkräfte liefern dann bei Bedarf – ohne grosse Kämpfe – nur noch den Vollzug.»

Warum kommen die Attacken gerade jetzt?

Die moldauische Präsidentin Maia Sandu (51) hat für Herbst 2024 ein Referendum über den EU-Beitritt der Moldau angekündigt. Ebenfalls im Herbst stehen Präsidentschaftswahlen an. Ulrich Schmid: «Moskau arbeitet darauf hin, dass das Referendum über den EU-Beitritt scheitert und Maia Sandu nicht wiedergewählt wird.»

Der massive Anstieg der Attacken soll auch den Westen treffen. Thiele: «Wir sollten dies auch als Ankündigung hybrider Angriffe in den baltischen Staaten, im Kosovo und andern Ländern begreifen. Wir sehen ja selbst in Deutschland bereits erste Ausläufer.»

Wie gross ist der Einfluss Moskaus auf die Moldau?

Im vergangenen Jahr tauchte ein Geheimpapier auf, das besagte, dass Russlands Präsident Wladimir Putin (71) das kleine Land bis spätestens 2030 von Moskau abhängig machen wolle. Schon jetzt steht die abtrünnige Republik Transnistrien, ein Teil von Moldau, voll unter dem Einfluss des Kremls.

Für Russland kommen die Unruhen in Transnistrien und auch im autonomen Gebiet der Gagausen gelegen. Ulrich Schmid: «Man hofft in Moskau darauf, dass die Moldau nicht Mitglied der EU werden kann, solange sie ihr Territorium nicht kontrolliert.»

Bläst Putin zur Invasion?

Die Moldau verfügt über eine kleine Armee mit nur 5000 aktiven Soldaten und wird durch kein Militärbündnis geschützt. Dennoch: «Eine Invasion halte ich für eher nicht opportun», sagt Thiele, «weil sich die russischen Truppen hier in eine schwierige taktische Lage bewegen, die unnötig Streitkräfte bindet.» Auf der anderen Seite könnte Russland damit aber beweisen wollen, dass es handlungsfähig ist.

Provoziert die Moldau den Kreml mit einem EU-Beitritt nicht unnötig?

Nein, meint Ulrich Schmid. Weil das Land in der Zwischenkriegszeit und vor dem Anschluss an die Sowjetunion zu Rumänien gehörte, ist die Staatssprache seit vergangenem Jahr offiziell Rumänisch. Jeder moldauische Staatsbürger bekommt heute ohne Problem einen rumänischen und somit EU-Pass.

Schmid: «Die Westintegration der Moldau ist anders gelagert als bei der Ukraine: Die Ukraine will nicht nur EU-, sondern auch Nato-Mitglied werden. Bei der neutralen Moldau ist das nicht der Fall.»

Ende 2023 hat die EU beschlossen, mit der Moldau Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Es geht in erster Linie darum, das arme Land zu stabilisieren und an den Westen zu binden. Im kleinen Land herrscht ein monatliches Pro-Kopf-Einkommen von nur 200 Franken.

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