Auf einen Blick
- Frau erlitt lebensbedrohliche Infektion durch kleinen Schnitt an Krabbendose
- Nekrotisierende Fasziitis breitet sich rasant aus, zerstört Gewebe
- Sterblichkeit bei etwa 30 Prozent, Behandlungsverzögerung senkt Überlebenschancen drastisch
Es war nur ein Schnitt. Etwa einen Zentimeter zog sich die Wunde über den Finger von Sue Wheatley (64). Die Britin spülte eine Dose Krabben aus, als sich der scharfe Deckel plötzlich in ihre Haut grub. Ein harmloser Unfall – mit dramatischen Folgen: Zwei Wochen später lag sie zehn Tage im Koma und kämpfte um ihr Leben.
Die Wunde war bereits verheilt, als erste Symptome auftraten: Ihre rechte Schulter schmerzte. «Ich dachte, ich hätte mir einen Muskel gezerrt», sagt die Rentnerin gegenüber der «Daily Mail». Wenige Stunden später hatten sich die Schmerzen ausgebreitet, auf den Arm, in der Brust. «Als hätte ich einen Herzinfarkt, ausserdem bekam ich Schüttelfrost und Hitzeschauer.»
In der Notaufnahme verschlechterte sich Wheatleys Zustand rapide. «Ich hatte am ganzen Körper starke Schmerzen, und am nächsten Morgen war die Haut meines rechten Arms schwarz und blutunterlaufen und eine farblose Flüssigkeit sickerte durch die Haut.»
Wie sich herausstellte, waren durch den Schnitt mit der Krabbendose Bakterien tief in ihren Körper eingedrungen. Die Folge: eine gefährliche Infektion namens nekrotisierende Fasziitis (NF), die auch als fleischfressende Krankheit bezeichnet wird. Aber was genau ist NF? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist die nekrotisierende Fasziitis so gefährlich?
Die bakterielle Infektion breitet sich rasant im Weichteilgewebe aus – bis zu 2,5 Zentimeter pro Stunde. Die Folge: Haut, Muskeln und Bindegewebe werden zerstört. Anfangssymptome wie Schmerzen und Rötungen sind unspezifisch, was die Diagnose erschwert. Ohne Behandlung drohen schwerwiegende Komplikationen wie septischer Schock, Multiorganversagen und Amputationen.
Die Sterblichkeit liegt bei etwa 30 Prozent. Verzögert sich die Behandlung, sinkt die Überlebenschance drastisch. Abgestorbenes Gewebe muss rasch entfernt werden, um die Infektion zu stoppen. «Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um die oft tödliche Erkrankung zu kontrollieren», sagt Annelies Zinkernagel, Klinikdirektorin für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Unispital Zürich (USZ), zu Blick.
Wie funktioniert eine Ansteckung?
Häufiger Auslöser sind Streptokokken der Gruppe A. Diese Bakterien verbreiten sich über Tröpfcheninfektion – also über Niesen, Husten oder Sprechen – oder direkten Kontakt. «Gesunde Menschen können sich bei Verwandten oder Haushaltsmitgliedern anstecken, die mit Streptokokken der Gruppe A besiedelt oder daran erkrankt sind», schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage von Blick.
Meist bleiben Infektionen harmlos. Gelangen die Bakterien jedoch in normalerweise keimfreie Körperbereiche, können laut BAG lebensbedrohliche Erkrankungen wie die nekrotisierende Fasziitis entstehen.
Wer ist besonders gefährdet und wie kann ich mich schützen?
Risikofaktoren sind unter anderem Immunschwäche oder Diabetes mellitus. «Spezifische Massnahmen zur vollständigen Vermeidung gibt es leider nicht», erklärt Zinkernagel weiter. «Doch gute Hygiene und die frühzeitige Behandlung von Hautinfektionen und Wunden können das Risiko senken.» Die Expertin rät: Bei starken Schmerzen, Rötungen oder Schwellungen an einer Wunde oder Infektionsstelle sollten Betroffene sofort medizinische Hilfe suchen.
Wie verbreitet ist NF in der Schweiz?
Die gute Nachricht: NF ist sehr selten. Am Universitätsspital Zürich gibt es derzeit keine «aussergewöhnlich hohe» Fallzahl. «Allerdings haben wir festgestellt, dass wir während der Pandemiezeit insgesamt eine reduzierte Zahl von NF-Fällen hatten», sagt Klinikdirektorin Zinkernagel.
Ein möglicher Grund dafür seien die strengen Massnahmen während der Pandemie. Maskenpflicht und Abstandsregeln verringerten die Übertragung von Infektionen. «Seit dem Ende der Einschränkungen haben wir eine Zunahme der NF-Fälle beobachtet», so Zinkernagel. Vermutlich wegen der erhöhten Verbreitung von Streptokokken und anderen Erregern. Mit dem Wegfall der Massnahmen sei die Häufigkeit solcher Infektionen gestiegen, die eine nekrotisierende Fasziitis auslösen können.