Er kneift die Augen zusammen. Seine Stimme ist ruhig. Einen Tag vor der Bluttat, bei der die beiden türkischen Mitarbeiter Ayhan B.* (†44) und Özkan K.* (†44) in einem Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen (D) ihr Leben verloren haben, veröffentlichte der mutmassliche Schütze Murat D.* (53) ein Video auf Tiktok.
«Wenn deine Freiheit gefährdet ist, musst du sie dir zurückholen!», sagte der türkisch sprechende D. laut «Bild». Er soll die beiden Opfer erschossen haben. D. habe neben dem Fliessband eine Pistole gezückt und mindestens neunmal auf seine Vorgesetzten geschossen, schreibt die Zeitung. Ein Opfer sei sofort gestorben, das andere sei später seinen Verletzungen im Spital erlegen. Die Pistole habe D. wahrscheinlich illegal besessen.
Killer fühlte sich unterdrückt
Türkische Medien berichteten am Donnerstag, dass möglicherweise ein politisches Motiv hinter der Bluttat stecke. Murat D. sei demnach Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Kemal Kilicdaroglu (74), seine Opfer seien dagegen Befürworter des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (69) gewesen.
Dass sich D., der seit seiner Scheidung alleine lebt, intensiv mit Politik beschäftigt hat, sei kein Geheimnis an seinem Arbeitsplatz gewesen: «Ich habe mich mit ihm oft in Raucherpausen unterhalten. In letzter Zeit hat er immer von Politik geredet und dass man sich wehren müsse», sagt eine Kollegin gegenüber «Bild».
Ein weiterer Kollege meint, dass es Spannungen zwischen den Opfern und dem Tatverdächtigen gegeben habe. Letzterer habe sich unterdrückt gefühlt. Murat D. und seine Opfer waren bei der Logistikfirma Rhenus angestellt.
Zum möglichen Motiv äusserte sich die zuständige Staatsanwaltschaft zurückhaltend: «Wir können ein politisches Motiv zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschliessen.» Es werde derzeit in alle Richtungen ermittelt. Aktuell laufen Vernehmungen durch die Kriminalpolizei.
Arbeit in Produktionshalle ausgesetzt
Am Donnerstag nach der Tat überwältigte der Werksschutz den Tatverdächtigen, der sich dann von der Polizei widerstandslos festnehmen liess. In den sozialen Medien kursiert ein Video von der Festnahme.
Bislang schweigt D. Beim Haftrichter habe er bislang keine Angaben gemacht, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Zur Aufklärung der Tat richtete die Polizei eine 17-köpfige Ermittlungsgruppe namens Halle ein.
Mercedes-Benz äusserte sich «zutiefst bestürzt und geschockt» über die Tat. «Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und allen Kolleginnen und Kollegen vor Ort», sagte ein Unternehmenssprecher.
Dem Konzern zufolge wird die Produktion in der betroffenen Halle in Baden-Württemberg bis zum Ende der Woche ausgesetzt. Der Rest des Werks laufe weiter. Der Vorfall solle umfassend analysiert werden, bei Bedarf folgten «entsprechende Massnahmen». (bab)
* Namen bekannt