«Vorher gings – jetzt nervts nur noch»
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Nüchtern am Oktoberfest:«Vorher gings – jetzt nervts nur noch»

Blick-Reporter Sandro Zulian nüchtern am Oktoberfest
Alkoholfreies Bier gibts mit Warnhinweis

Das Oktoberfest ist fast Synonym für grenzenlosen Bier-Rausch. In den Bierzelten und im Gewusel rundherum kann man morgens bis abends trinken. Blick-Reporter Sandro Zulian trinkt während des ganzen Festes aber keinen Tropfen.
Publiziert: 17.09.2023 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2023 um 10:33 Uhr
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Hier wurde es langsam ein bisschen zu bunt und zu laut.
Foto: Matthias Kempf
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Sandro ZulianReporter News

Die Augen sind trüb, die Lider hängen tief, der Blick scheint durch einen hindurchzuschauen. Der Gang ist wacklig und die Aufmerksamkeit hat sich schon länger verabschiedet. Je tiefer die Sonne über München steht, desto mehr Menschen in diesem Zustand begegnet man. Im Bierzelt, vor den Achterbahnen, im öffentlichen Verkehr sieht man immer wieder Erbrochenes auf dem Boden.

«Du hast doch gesoffen!», raunzt mich ein Mann zu später Stunde im «Löwenbräu» an. Ich verneine. «So ein Scheiss, das kann ja jeder sagen», feixt er. Die Vorstellung, auf der Wiesn nur alkoholfreie Getränke zu sich zu nehmen, irritiert denn Mann sichtlich. «Mensch, der Bursche muss doch saufen!», sagt er fast schon traurig.

Am Oktoberfest keinen Alkohol zu trinken, ist wie als Metzger auf vegane Ernährung umzustellen oder als Atheist plötzlich Gott zu huldigen. Undenkbar!

Ein Warnhinweis für alkoholfreies Bier

Das Personal in den Bierzelten auf der Wiesn ist aber alles andere als spöttisch, wenn man ein Getränk ohne «PS» bestellt. «Ja, klar», sagt die freundliche Bedienung in einem kleineren Bierzelt. Flugs steht das Bier da. Kein blöder Spruch, kein Stirnrunzeln – nur ein liebenswertes Lächeln. Der Nächste. 

Im «Löwenbräu» läuft es ähnlich. «Kann ich eine Mass Alkoholfreies haben?», frage ich vorsichtig und in der Erwartung, jetzt ausgelacht zu werden. Zu meiner Überraschung sagt Regina, seit neun Jahren Bedienung auf der Wiesn: «Ja, aber sicher!» Ein paar Minuten später drückt sie mir einen der überdimensionierten Ein-Liter-Krüge in die Hand.

Am Henkel des Glases hängt ein grosser, roter, einem Verbotsschild gleichender, Warnhinweis: «Alkoholfreies Schankbier». Jetzt darf ich selber entscheiden, ob ich mich oute, oder den Hinweis verschwinden lasse und «undercover» gehe.

Nüchtern betrachtet ist es eher bizarr, ein Getränk, das einen nicht betrunken macht und körperlich vergleichsweise unbedenklich ist, mit einem grossen, gut sichtbaren Warnhinweis zu versehen. Sollte es nicht andersherum sein?

Kurz vor der Alkoholvergiftung

«Wenn man aus München kommt, dann geht das so», sagt ein junger Mann, kurz nachdem er 2,07 Promille geblasen hat. Fünf Liter Bier habe er getrunken. Zur Erinnerung: Ab 3 Promille wird es für den menschlichen Körper lebensgefährlich. Trinken bis zum Umfallen ist nach wie vor in, wenn auch nicht mehr so verbreitet wie früher. 

Am Oktoberfest gibt es neben den vielen Bierzelten auch einen «Kotzhügel». Nach den langatmigen Feiern bleibt vielen nur noch der wacklige Gang zum Grün mit dem abwertenden Namen, wo sie ihren Rausch ausschlafen. Dort sitzt eine Frau im Dirndl breitbeinig auf dem Hang und entleert ihren Mageninhalt zwischen ihre Füsse. Andere liegen, teils in stabiler Seitenlage, auf dem Boden. Ihre Freunde wachen über sie. Ein paar Meter weiter uriniert ein Mann mitten aufs Feld. 

Erstes «Bieropfer» kurz nach Fassanstich

Der Streifzug durch das Gelände zeigte, dass Sanitäter und Notärzte am Oktoberfest alle Hände voll zu tun haben. Immer wieder liegen Menschen auf dem Boden und werden gepflegt. Laut deutschen Medien gab es heuer nur dreieinhalb Stunden nach Fassanstich das erste «Bieropfer». Ein amerikanischer Tourist konnte nicht mehr gehen und musste behandelt werden. Im Vergleich zu den Vorjahren sei der Zeitpunkt aber «recht spät», schreibt die «Frankfurter Allgemeine»

Nüchtern auf die Wiesn ist bestimmt nicht das leichteste Unterfangen, das man wagen kann. Doch spätestens am nächsten Morgen, beim katerlosen Aufstehen, lohnt sich die Bier-Abstinenz.


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