60 Milliarden Euro fehlen in der deutschen Staatskasse. Eine nahezu unvorstellbare Deckungslücke, die der Bundeskanzler höchstpersönlich zu verantworten hat. Denn dass nicht gebrauchte Corona-Kredite in den sogenannten Klimafonds wanderten, war verfassungswidrig. Jetzt müsste sich Olaf Scholz (65) erklären, entschuldigen – Demut zeigen. Tut er aber nicht.
Am Dienstag – geschlagene zehn Tage nach dem Urteil des Karlsruher Verfassungsgerichts, das seine Trickserei für illegal erklärt hatte – sprach er vor dem Bundestag: Durchhalteparolen, Selbstbeweihräucherung und eine ordentliche Ladung Scholz-Stolz. Nur eines hörten die Volksvertreter im Berliner Reichstag nicht: ein Wort der Reue. Lediglich eins vermochte der Sozialdemokrat sich selbst und seinem Land am Dienstag einzugestehen: Das Urteil des obersten Gerichts zur Haushaltspraxis sei der Beginn einer «neuen Realität». Das ist so. Bisher gab Scholz immer nur vor, das zu tun, was «richtig und nötig» sei. Diese Illusion ist jetzt zerstoben.
Typisch Olaf, meinen Parteikollegen, die sich in den Medien anonym über ihren Chef aufregen. Dabei unterstellen ihm seine Genossen gern eine Maxime, die vom britischen Premierminister Benjamin Disraeli (1804–1881) stammt: «Never complain, never explain» – nie klagen, nie erklären. So berichtet jedenfalls der «Spiegel». Und ergänzt, das habe Scholz schon immer gekonnt: schweigen – und seine eigenen Pläne in den Sand setzen. Beispiele dafür gibt es genug.
Die Corona-Pandemie
Auf dem Höhepunkt der Corona-Infektionswelle wurde Scholz zu Deutschlands neuem Bundeskanzler gewählt. Sofort stellte er 30 Millionen Dosen Impfstoff in Aussicht, dann kündigte er eine landesweite Pflicht zur Immunisierung an. Es schien, als bekomme er Corona in den Griff. Doch die allgemeine Impfpflicht scheiterte im Parlament, die Pandemie wütete weiter. Eine Niederlage für Scholz und seinen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (60), die sich stark für diese Politik eingesetzt hatten, sie aber nicht durchsetzen konnten.
Die Flut im Ahrtal
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 – mitten im Wahlkampf – wälzte sich nach Unwettern eine todbringende Flutwelle durch das enge Ahrtal: 136 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, 17'000 verloren ihr Zuhause. Eine Tragödie. Zwar war Scholz zu diesem Zeitpunkt noch nicht Kanzler, doch die Nachwehen der Katastrophe musste er bewältigen.
Das hat er aber nicht wirklich, wie Einwohner der Region finden: «Herr Scholz hat damals auch vor Kameras gesagt, wir werden das Ahrtal nicht vergessen. Dieses Versprechen ist meines Erachtens nicht wirklich eingelöst worden», so ein Anwohner zur deutschen Tagesschau. «Wir fühlen uns immer mehr vergessen.» Der Kanzler hat wichtigere Dinge zu tun, als Bürgern in Not mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Der Ukraine-Krieg
Noch vor Russlands Angriff auf die Ukraine handelte Scholz eher untypisch: Er nahm das Ruder in die Hand – zumindest für kurze Zeit. Im Februar 2022 reiste er nach Moskau, liess sich von Kremlchef Wladimir Putin (71) versprechen, dass es keinen Krieg gegen die Ukraine geben wird. Und es schien, als habe er das Verderben abgewendet.
Dann kam der 24. Februar. Scholz rief eine «Zeitenwende» aus, versprach finanzielle und materielle Hilfe für die Ukraine. Entscheide und Lieferungen brauchten viel Zeit, doch tatsächlich: Deutschland ist nach den USA der grösste Unterstützer Kiews. Auch damit könnte aber bald wieder Schluss sein – Scholz zögert, was die Freigabe weiterer Waffen wie den Taurus-Marschflugkörper angeht. Wie schon bei den Leopard-Panzern wartet er auf grünes Licht aus Washington.
Die Windräder
Auch die Vision des Kanzlers und seiner Koalition, bis 2030 täglich vier bis fünf Windräder zu errichten und so die Energiewende voranzutreiben, löste grosse Erwartungen aus. Doch die Realität blieb hinter den ehrgeizigen Zielen zurück. Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt nur 1,5 Windräder pro Tag installiert.
Das Finanz-Chaos: Scholz am Ende?
Jetzt kommt noch die selbstverschuldete Finanzkrise hinzu. Auch hier zeigt sich: Scholz war sicher, er habe einen Plan, der aufgehen würde. Das tat er aber nicht. Und je öfter sich der Bundeskanzler als allwissend darstellt – und je öfter sich diese Selbstgewissheit als trügerisch entpuppt –, desto weniger glaubhaft wirkt der Mann aus Hamburg-Altona in den Augen von Genossen und Gegnern.
Zu vorgezogenen Neuwahlen, über die in Berlin bereits spekuliert wird, dürfte es zwar nicht kommen. Keine der Oppositionsparteien hat einen überzeugenden Gegenkandidaten zu bieten. Denn eins muss man Olaf Scholz lassen: Irgendwie hat er es immer wieder geschafft, sich aus einem noch so grossen Schlamassel zu retten – bis jetzt.