Auf einen Blick
- Union setzt mit AfD-Stimmen härteren Migrationskurs durch, sorgt für Eklat
- SPD und Grüne werfen Union vor, die politische Mitte verlassen zu haben
- Weidel schiesst gegen Scholz und Merz
Eine Woche nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsbeschluss für einen härteren Migrations-Kurs durchgesetzt – und damit für einen beispiellosen Eklat gesorgt. Er dürfte auch den weiteren Wahlkampf bis zum 23. Februar massgeblich bestimmen. Was dieser Tag für die Regierungsbildung nach der Wahl bedeuten wird, ist noch offen.
SPD und Grüne warfen der Union vor, die politische Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Friedrich Merz persönlich dafür verantwortlich. Nach einem solchen Votum, dürfe man «nicht so einfach zur Tagesordnung» übergehen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Merz bot SPD und Grünen neue Verhandlungen an und versicherte, «keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments» zu suchen. Er fügte hinzu: «Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das.»
AfD sieht Beginn einer «neuen Epoche»
Die AfD-Fraktion sprach derweil von einem historischen Moment. «Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen», rief Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann dem CDU-Chef zu. «Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD.» Der Bundestag hatte zuvor einem Unions-Antrag mehrheitlich zugestimmt, der mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Für den Antrag stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen. 344 Abgeordnete waren dagegen, zehn enthielten sich. Der Antrag hat keine bindende Wirkung, der Beschluss aber eine hohe Symbolkraft.
Die AfD applaudierte nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. Die Fraktionen von SPD, Grüne votierten geschlossen mit Nein, ebenso wie die Gruppe Die Linke. Das BSW enthielt sich. Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt.
«Nicht so einfach zur Tagesordnung» übergehen
Die Sitzung wurde nach der Abstimmung unterbrochen. In der vorangegangenen Debatte hatten sich Kanzler Olaf Scholz und Merz einen heftigen Schlagabtausch, vor allem über den Umgang mit der AfD, geliefert. Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. «Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf», sagte er an die Adresse des Oppositionsführers in seiner Regierungserklärung.
Scholz mutmasste auch, die Union könne nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als «niederträchtig» und «infam» zurück. «Ich werde alles tun, das zu verhindern.» Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt. Das sei ihm lieber, als «weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet» werden.
Weidel nennt Regierungserklärung «ungeheuerlich»
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wandte sich sowohl gegen Scholz als auch gegen Merz. Die Regierungserklärung nannte sie «ungeheuerlich», und warf Scholz «autoritäres» Denken vor. «Das ist Demokratie ohne Volk, das ist Demokratie ohne Wähler», sagte sie. Die Migrationspolitik der Regierung nannte sie einen «politisch motivierten Kontrollverlust». Die sogenannte «Brandmauer, gegen die AfD» sei ein Hebel, um den Wählerwillen auszuschliessen.
Der Union warf Weidel vor, die Vorschläge zur Eindämmung der Migration von der AfD abgeschrieben zu haben. Als Sitzungsleiterin Katrin Göring-Eckardt verkündete, dass die Mehrheit für den Antrag zu den Zurückweisungen erreicht wurde, umarmten und beglückwünschten sich die Abgeordneten der AfD.