«Bedingungslos entlassen» – aber er bleibt schuldig
Trump darf keine Waffen mehr besitzen und könnte Reiseprobleme kriegen

Der wiedergewählte US-Präsident bezeichnete das Verfahren wenig überraschend als «Hexenjagd». Trump kommt glimpflich davon und will das Urteil dennoch anfechten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum historischen Prozess.
Publiziert: 18:26 Uhr
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Aktualisiert: vor 45 Minuten
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Donald Trump schaltete sich per Video aus Florida in den New Yorker Gerichtssaal zu.
Foto: AFP

Auf einen Blick

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Und schon wieder hat Donald Trump (78) etwas geschafft, das noch keinem vor ihm gelungen ist: Der Republikaner ist der erste US-Präsident, der von einem Gericht schuldig gesprochen und verurteilt worden ist.

Trump hat sich bei der Verkündigung des Strafmasses am Freitag in seinem Schweigegeld-Prozess aus Florida per Videocall zugeschaltet. 2024 hatte ihn eine Jury in 34 Punkten schuldig gesprochen wegen gefälschter Abrechnungen, mit denen Trump seine illegalen Zahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels habe vertuschen wollen. Die glimpfliche Strafe: «bedingungslose Entlassung» («unconditional release»). Trump ist also offiziell Straftäter, muss aber weder eine Busse bezahlen noch ins Gefängnis.

Was Richter Juan Merchan (63) dem Bald-Präsidenten aber mit auf den Weg gab, dürfte ihn viel stärker schmerzen als eine saftige Busse.

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Donald Trump schaltete sich per Video aus Florida in den New Yorker Gerichtssaal zu.
Foto: AFP
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Was bedeutet das «unconditional release»-Urteil?

Das Gesetz im Bundesstaat New York erlaubt es seinen Gerichten, schuldig Gesprochene ohne Strafe wieder auf freien Fuss zu setzen, sofern eine Strafe «keinen wirklichen Sinn ergibt». Der Tolggen im Reinheft bleibt. Trump ist verurteilt und vorbestraft, auch wenn er keine reelle Strafe verbüssen muss.

Theoretisch hätte der Richter Trump mit bis zu vier Jahren Gefängnis oder mit bis zu 5000 Dollar Busse pro Anklagepunkt (also 170'000 Dollar total) verdonnern können. Auch eine Bewährungsstrafe wäre möglich gewesen. Allerdings wäre es sowieso faktisch unmöglich, einen US-Präsidenten, der gegen seine Bewährungsauflagen verstösst, zu verhaften und ins Gefängnis zu stecken.

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Welche anderen Konsequenzen hat der Schuldspruch?

Als verurteilter Straftäter gibts für Trump bestimmte Einschränkungen. Er darf (mindestens im Staat New York) keine Schusswaffe mehr besitzen und auch kein Amt auf Bundesstaatsebene mehr annehmen (das dürfte ihm beides egal sein).

Etwas heikler sind die möglichen Reisebeschränkungen. Das Magazin «Forbes» hält fest, dass diverse Länder – darunter Kanada, Australien, China, Japan und das Vereinigte Königreich – Einreisebeschränkungen für Vorbestrafte kennen. Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass diese Länder Trump die Einreise verweigern würden.

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Kann Trump sich nicht sowieso selbst begnadigen und die Konsequenzen abwenden?

Nein. US-Präsidenten haben zwar weitreichende Begnadigungskompetenzen. Das zeigte zuletzt etwa Noch-Präsident Joe Biden (82), der seinen Sohn Hunter begnadigt und ihn vor einer sehr wahrscheinlichen Gefängnisstrafe wegen Steuervergehen und nicht erlaubtem Waffenbesitz bewahrte.

Diese «pardon powers» gelten allerdings nur für Verfahren und Urteile, die ein nationales Gericht gefällt hat. Da der Schweigegeld-Prozess aber auf New Yorker Bundesstaatsebene verhandelt wurde, sticht der Begnadigungstrumpf nicht – amerikanischem Föderalismus sei Dank.

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Wie reagiert Trump auf das Urteil?

Empört. Auf seiner Plattform Truth Social bezeichnete er den ganzen Prozess als «Hexenjagd» und kündigte an, den Fall weiterzuziehen. Die «wahre Jury» sei sowieso das amerikanische Volk. Und das habe ihm bei den Wahlen eine «überwältigende Vollmacht» gegeben. Minuten vor der Urteilsverkündigung sagte Trump am Gericht: «Ich bin total unschuldig. Ich habe nichts Falsches gemacht.»

Eigentlich müsste Trump zufrieden sein. Wäre er in all seinen Verfahren schuldig gesprochen worden und hätte jeweils die Maximalstrafe kassiert, dann wäre er für 717 Jahre ins Gefängnis gewandert und hätte Bussen in der Höhe von mehr als 11 Millionen Dollar bezahlen müssen, wie «Forbes» ausgerechnet hat. Eine «bedingungslose Entlassung» scheint angesichts dieser Ausgangslage wie ein Sechser im Lotto.

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Was verrät uns das Urteil über den Zustand der Justiz in Amerika?

Das Oberste Gericht in Amerika hätte die Möglichkeit gehabt, die Strafmassverkündung vom Freitagnachmittag zu stoppen. Trump hat das Gericht explizit darum gebeten. Doch die neuen Richter (drei davon hat Trump persönlich eingesetzt) entschieden sich mit knapper Mehrheit (fünf zu vier) gegen Trump.

Das zeigt: Amerikas oberste Justizbehörde funktioniert trotz der deutlichen konservativen Überzahl (sechs der neun Richter wurden von republikanischen Präsidenten ernannt) unabhängig. Sie sind dem republikanischen Bald-Präsidenten nicht hörig und gewichten das Gesetz höher als Trumps persönliche Wünsche.

Spannend ist zudem, was der New Yorker Richter Juan Merchan als Denkzettel mit auf den Weg gegeben hat: «Das gesetzliche Schutzschild, das der Präsident der Vereinigten Staaten geniesst, ist so aussergewöhnlich stark wegen des Amtes an sich, nicht wegen der Person, die dieses Amt bekleidet», sagte Merchan in seiner Urteilsverkündigung. Ein klarer Seitenhieb an Trump. Der dürfte schmerzhafter sein als die saftigste Busse, die das Gericht dem Amtsträger hätte aufbürden können.

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