Es waren heisse Stunden im Norden Kosovos. Vor zwei Wochen, am 24. September, überfielen bewaffnete serbische Paramilitärs eine Polizeistreife in der Nähe des Dorfes Banjska im Norden des Kosovos und töteten einen Polizisten.
Die Bewaffneten flüchteten daraufhin in ein Kloster nahe der Grenze zwischen Kosovo und Serbien, wo sich die Polizeikräfte ein Feuergefecht mit ihnen lieferten. Drei bewaffnete Serben wurden getötet, die übrigen wurden entweder festgenommen oder konnten fliehen. Es war einer der schlimmsten Gewaltausbrüche im Land seit dem Ende des Kosovo-Krieges im Jahre 1999.
Bereits zwei Wochen nach der kurzen Eskalation wirkt es so, als wäre der Status quo wiederhergestellt. Der serbische Rädelsführer Milan Radojcic ist bereits wieder auf freiem Fuss, die serbischen Truppen werden langsam von der Grenze zum Nordkosovo abgezogen und beide Seiten haben sich zum Dialog bereit erklärt. Vom Feuergefecht am 24. September im nordkosovarischen Dorf Banjska ist kaum mehr etwas zu sehen.
Zündstoff für Eskalation bleibt
Nervös sind aber trotzdem alle. Noch immer ist die Stimmung aufgeheizt. Die Präsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani (41), nannte die Vorgänge im Interview mit «Welt» gar eine versuchte Annexion «nach Putins Vorbild». Auch die Nato rechnet noch nicht mit einer Deeskalation – am Freitag erreichten 200 britische Kfor-Soldaten den Nordkosovo. Verstärkung an der Grenze, falls doch noch etwas passiert.
Also hat sich die Lage noch nicht beruhigt? «Noch nicht», meint Jakov Devčić, Politikwissenschaftler und Leiter des Büros Montenegro/Serbien bei der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung. «Aber die Situation wird sich noch beruhigen.» Warum es nicht zu einer Eskalation kommen wird.
Schnelle Deeskalation der Lage
Die USA hatten schon kurz nach dem Anschlag mit Nachdruck verlangt, dass die Verantwortlichen für die Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden – sei es Serbien oder Kosovo. Der Druck aus dem Westen scheint schnell gewirkt zu haben. «Serbien kooperiert mit westlichen Partnern, und die Regierung besteht darauf, dass sie ‹weder in den Krieg ziehen noch zulassen wird, dass Serben von Pristina verfolgt werden›, und positioniert sich damit in der Mitte zwischen liberalen und nationalistischen Oppositionsgruppen», so Devčić.
Kosovo hat die diplomatische Oberhand
Der Vorfall in Nordkosovo hat die Gewichte verschoben. Serbien gerät im Streit mit Kosovo wieder in die Defensive, der Kosovo hat die Oberhand. Serbien ist wieder der «Bad Guy», was Präsident Aleksandar Vučić (53) weiterhin bestreitet. Die Tat, die er verurteile, sei Ausdruck der Verzweiflung der von Pristina drangsalierten Serben. Allerdings schadeten seinem Land solche Alleingänge. Denn schliesslich seien die Verhandlungen mit Kosovo jüngst zu Belgrads Gunsten verlaufen.
Devčić erklärt: «Der Kosovo führt eine diplomatische Offensive gegen Serbien durch, mit dem Ziel, die westliche Meinung zu seinen Gunsten zu verändern.» Vor ein paar Wochen war das noch ganz anders, als Kosovo-Premierminister Albin Kurti noch als Hauptverantwortlicher für den fehlenden Fortschritt im Normalisierungsprozess gesehen wurde.
Wo noch Risiken bestehen
«Die Gefahr liegt hier bei den Serben im Norden: Ob einige Gruppen eigenständig handeln, verärgert und provoziert durch das, was sie als Diskriminierung gegen sie und als Angriff auf die serbische Gemeinschaft empfinden», so Devčić. Dadurch könnte es zu einer erneuten Eskalation kommen. «Es braucht nur ein paar Dutzend mit Kleinwaffen bewaffnete Personen, um einen grösseren Konflikt auszulösen.»