Rucksack, Schlafsack, Militärkleidung, Stiefel und mehr – die russischen Soldaten müssen sich auf einen kalten Winter an der Front vorbereiten. Doch mehrere russische Medien berichten, dass sich die Reservisten selbst versorgen müssen. In den sozialen Medien gehen bereits Einkaufslisten herum, die den Männern ausgehändigt wurden. Das Problem: Militärische Ausrüstung ist grösstenteils ausverkauft. Und die Preise sind wegen der hohen Nachfrage enorm angestiegen.
Verzweifelt begeben sich junge Männer auf der Suche nach Tarnrucksäcken in Sportgeschäfte. Khakifarbene sind ausverkauft, übrig bleiben nur bunte Rucksäcke. Auch sollen die Soldaten Isomatten und Schlafsäcke mitnehmen – jedoch sind nur noch Sommerexemplare übrig. Vor allem in kleineren Städten ist der Mangel ein Problem. Um in eine grössere Stadt zu fahren, reicht die Zeit für viele eingezogene Männer nicht.
«Was das Militär gibt, ist zum Wegwerfen»
Wer Glück hat, kann sich noch Winterstiefel und eine Winter-Militäruniform sichern – aber diese ist entweder zu gross oder zu klein. Standard-Grössen sind vergriffen. Auch Thermounterwäsche, Handschuhe, Schutzbrillen und Socken werden fleissig leer gekauft.
«Das Wichtigste fehlt», sagt eine Verkäuferin in Irkutsk zum Onlineportal «Ircity.ru». «Ich hab gerade die letzten zwei Schusswesten verkauft. Jetzt hab ich nur noch zwei Rucksäcke übrig – das ist alles!» Die Panikkäufe könne sie nachvollziehen. «Was ihnen das Militär gibt, ist zum Wegwerfen», beschwert sie sich.
Generell herrscht grosse Unsicherheit darüber, was die Soldaten im Kriegsgebiet erhalten. «Den Elite-Truppen stellen sie alles zur Verfügung, aber den Mobilisierten eben nicht», sagt ein anderer Verkäufer. Die Listen machen zumindest den Eindruck, dass es nicht genug militärische Ausrüstung an der Front gibt.
«Wenn ich sterbe, nutzen meine Schuhe einem anderen»
Diese Sorge teilt ein junger Mann, der befürchtet, bald in die Ukraine zu müssen. «Wer weiss, was die uns dort geben. Hier habe ich mir warme Schuhe gekauft», sagt er. «Und wenn sie mich umbringen, wird man sie mir ausziehen und jemand anderes wird es gut in ihnen haben.»
Nicht nur Tarnkleidung und Schuhe sind gefragt, auch das Tastenhandy feiert ein regelrechtes Comeback auf dem russischen Markt, schreibt «Magan Media». Denn an die Front dürfen die russischen Soldaten keine Smartphones oder Handys mit Kamera mitbringen. Doch auch in Elektrogeschäften finden sich derzeit hauptsächlich leere Regale oder sehr teure Handys. Die Nachfrage ist laut Händlern doppelt so hoch wie vor der Teilmobilmachung.
Hohe Nachfrage lässt Preise steigen
Analysen von der Website LikeStats zeigen, wie stark die Suchanfragen für militärische Ausrüstung gestiegen sind, seit Wladimir Putin (69) am 21. September die Teilmobilmachung verkündete. So hat das Verkaufsvolumen beim Onlinehändler Wildberries um 315 Prozent zugenommen. In der entsprechenden Kategorie wurden in einem Monat 19'000 verschiedene Militärartikel verkauft – das sind 13'300 mehr als im August.
Die hohe Nachfrage treibt auch die Preise nach oben. Ein Verkäufer in Irkutsk sagt: «Die Preise steigen wie verrückt. Was im April noch 3000 bis 4000 Rubel (48 bis 65 Franken) kostete, kostet jetzt 8000 bis 9000 Rubel (128 bis 145 Franken).» Und das, obwohl die wichtigsten Teile fehlen. «Die Leute kaufen es trotzdem, was bleibt ihnen anderes übrig?» Eine Schussweste soll im Januar 7000 Rubel (112 Franken) gekostet haben, heute erhält man sie für 135'000 Rubel, umgerechnet sind das 2169 Franken. Die Anbieter geben an, dass eine Schutzausrüstung ohne Schussweste zwischen 50’000 und 100’000 Rubel kostet (zwischen 815 und 1627 Franken).
Keine Preiserhöhung bei Medikamenten
Die Händler und Lieferanten schieben einander die Schuld zu. Jetzt will eine Kontrollbehörde, die den fairen Wettbewerb schützt, die Situation überprüfen und allenfalls die Schuldigen, die sich an der Situation bereichern, zur Rechenschaft ziehen, berichtet «Forbes». Fest steht: Die Fabriken kommen nicht mit den Lieferungen hinterher. «Russland hat grossartige Waffen, aber die Kleidung – wir haben einfach nicht genug und die Lieferungen verzögern sich», erklärt ein Verkäufer aus Irkutsk.
Auch die Medikamente müssen Reservisten selber kaufen. Immerhin: Hier sind keine Defizite und Preiserhöhungen festzustellen. Um sich an die neue Nahrung an der Front zu gewöhnen, sollen die Reservisten auch Mittel gegen Durchfall, Schmerztabletten und Antibiotika mitnehmen. Zum Versorgen der Wunden benötigen die Soldaten Tourniquets, Pflaster und Salben gegen Verbrennungen.