Zehn Tage bevor die Ukraine die Stadt Isjum zurückerobert hat, schreiben einige russische Soldaten vor Ort Briefe. Diese zeichnen ein Bild von mangelnder Moral – und verzweifelten Truppen.
So schreibt einer: «Wegen fehlender Urlaubstage und weil ich moralisch erschöpft bin, weigere ich mich, meinen Dienst in der Spezialoperation auf ukrainischem Territorium zu erfüllen.» Das zitiert die «Washington Post» aus dem Brief eines russischen Soldaten. Er schreibt, dass er Kommandeur eines Flugabwehrraketenzuges aus der Region Moskau sei.
Briefe auf 30. August datiert
Laut der Zeitung seien die zehn handgeschriebenen Briefe auf den 30. August datiert. Die Schriftstücke wurden in einem Haus gefunden, in dem russische Soldaten kampierten. Die Briefe lagen neben Habseligkeiten wie Stiefeln und Uniformen. Alles zurückgelassen, als die Ukrainer die Stadt zurückeroberten.
In den Briefen wollen mehrere Soldaten bei ihren Vorgesetzten um ihre Entlassung bitten. Sie beschweren sich darin über ausgebliebene Urlaubstage, Verzweiflung und schlechte medizinische Versorgung.
Einige bemängeln, dass ihnen der versprochene Heimaturlaub verwehrt wurde. Dieser sei zu wichtigen familiären Anlässen – zum Beispiel der eigenen Hochzeit oder Geburt von Kindern – verweigert worden.
Demoralisierte Soldaten
Ein anderer Soldat bat um seine Entlassung. Die Begründung: Sein Gesundheitszustand habe «sich verschlechtert und ich nicht die notwendige medizinische Hilfe erhalten habe». Ein anderer Soldat macht klar, dass er unter «körperlicher und moralischer Erschöpfung» leide.
Die Briefe konnten jedoch noch nicht von unabhängigen Experten geprüft werden. Doch die «Washington Post» geht von ihrer Echtheit aus.
Isjum war Ende März von den russischen Soldaten erobert worden. Seit Anfang September wurden diese durch die ukrainische Gegenoffensiven von dort vertrieben. Der Rückzug der Russen soll chaotisch abgelaufen sein.
Neben den Briefen und anderen Habseligkeiten blieb in und um Isjum auch einiges an russischem Militärequipment zurück. (euc)