China will es auf einem Gebiet, das anderthalb Mal so gross ist wie Indien, künstlich regnen lassen. Dies gab die Regierung am Mittwochabend bekannt. Das Wettermanipulationsprogramm, das bereits schätzungsweise 35'000 Menschen beschäftigt, soll laut einem Bericht von «The Guardian» verfünffacht werden.
Mit dem Verfahren, durch die Zuführung von Chemikalien in die Atmosphäre Wolken vom Himmel zu holen und künstlich Regen oder Schnee zu erzeugen, experimentieren die Chinesen schon seit rund sechs Jahrzehnten. Mithilfe von Militärflugzeugen und Flugabwehrkanonen wird Silberiodid oder flüssiger Stickstoff in den Himmel gesprüht. Die Wassertröpfchen in den Wolken werden dadurch verdickt, damit sie in Form von Niederschlag zur Erde fallen.
Blauer Himmel bei Grossanlässen
Auf diese Weise kann zum Beispiel Trockenheit in besonders betroffenen Gebieten gelindert werden. Oder man kann lästigen Smog durch künstlich erzeugten Regen vom Himmel holen. Auch Waldbrände wollen die Chinesen damit bekämpfen und den Betrieb von Wasserkraftwerken sichern.
Aufsehen erregten die Chinesen mit der Technik besonders bei Grossanlässen wie den Olympischen Spielen 2008, als die Wettermacher bei der Eröffnungszeremonie für einen blauen Himmel sorgten: Über acht Stunden lang schossen sie damals mehr als 1000 Silberiodid-Granaten in den Himmel, um zu verhindern, dass der Regen die Show trübt.
Die Technik wurde Berichten zufolge auch eingesetzt, um 2014 vor dem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) den Smog zu beseitigen. Auch im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 70-Jahr-Jubiläum der Volksrepublik im vergangenen Jahr putzten die Wettermacher Wolken und Luftverschmutzung weg.
Bis 2035 soll «fortgeschrittenes» Niveau erreicht werden
Der neue Plan der Regierung geht weit über solche «kosmetischen» Massnahmen hinaus: Das Programm für künstlichen Regen und Schnee soll bis 2025 auf mindestens 5,5 Millionen Quadratkilometer ausgedehnt werden. Bis 2035 will China demnach ein «fortgeschrittenes» Niveau bei der Wettermanipulation erreichen. Dabei sollen ländliche Regionen wiederbelebt, Ökosysteme wiederhergestellt und Verluste bei Naturkatastrophen minimiert werden.
Laut CNN investierte China zwischen 2012 und 2017 bereits über 1,2 Milliarden Franken für verschiedene Wetterveränderungsprogramme. Offenbar mit Erfolg: Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, halfen Wettermanipulationen im letzten Jahr in der für die Landwirtschaft wichtigen Region Xinjiang, 70 Prozent der Hagelschäden zu verhindern.
Nachbarländer befürchten Benachteiligung
Ein ehrgeiziges Projekt von chinesischen Wissenschaftlern namens Himmelsfluss hat zum Ziel, Wasserdampf aus dem Jangtse-Flussbecken nach Norden umzuleiten, wo er als Regen im Becken des Gelben Flusses fallen soll. Die Forscher sagen, dass sie potenzielle Kanäle gefunden haben, die über die Luft jährlich fünf Milliarden Kubikmeter Wasser transportieren könnten. Die China Aerospace Science and Technology Corporation hat dazu Berichten zufolge schon Hunderte Vorrichtungen gebaut, um Silberiodid in rauen Mengen in die Atmosphäre zu pumpen.
Das Projekt könnte dabei helfen, den Wassermangel im trockenen Norden des Landes zu lindern. Doch es könnte zugleich mit Problemen in Südostasien und Indien einhergehen, wenn die Flüsse im Süden mit weniger Wasser versorgt würden. In Indien gibt es zunehmend Befürchtungen, dass China die Wettermanipulationen strategisch und zum Nachteil des Nachbarlandes einsetzen könnte.
Auch andere Mächte tun es
Mit den Bemühungen, das Wetter zu zähmen, ist China allerdings nicht allein. Der Journalist Seymour Hersh berichtete bereits 1972 in der «New York Times», dass die USA im Vietnamkrieg versuchte, das Wetter durch Manipulationen als Waffe einzusetzen. «Operation Popeye» zielte darauf ab, die kommunistische Nachschubroute entlang des Ho-Chi-Minh-Pfades zu überfluten.
Die US-Firma General Electric hatte bereits 1946 die ersten Versuche mit künstlichem Regen unternommen. Die Technologie wurde später auch von der Sowjetunion übernommen. (noo)