Die zweite Welle kam mit Ansage – und doch überrollte sie fast ganz Europa. Die Zahl der Infizierten explodierte und riss mehr und mehr Menschen in den Tod. Inzwischen haben die Länder reagiert. Österreich befindet sich bereits im zweiten Lockdown. Auch Deutschland und die Schweiz mussten die Massnahmen massiv verschärfen.
Nur Finnland meistert die zweite Welle mit Bravour – und zwar ohne zweiten Lockdown. Während die Schweiz pro 100'000 Einwohner derzeit eine Sieben-Tage-Inzidenz von 455 aufweist, glänzen die Finnen mit einem Wert von knapp über 50. Aber was macht das Land denn besser als der Rest Europas?
Schnell in den ersten Lockdown
Die Regierung Finnlands reagierte zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr schnell. Das Land ging für zwei Monate in den Lockdown. Praktisch alles wurde dicht gemacht – auch die Grenzen. Und das zu einer Zeit, als die Corona-Zahlen noch klein waren. «Finnland hat verhältnismässig schnell und umfangreich das öffentliche Leben heruntergefahren», sagt Mika Salminen, Direktor der finnischen Gesundheitsbehörde (TH), zur «Deutschen Welle». Das Land verlor nicht den Überblick beim Contact Tracing. Anders als in anderen Staaten.
Das rigorose Contact Tracing ist aber auch nur möglich, weil die Bevölkerung mitmacht. Wie die Schweiz auch, entwickelte Finnland eine Corona-App, um das Contact Tracing zu gewährleisten. Während die Installationsrate für die Schweiz bei rund 30 Prozent liegt, hat fast jeder zweite Finne «Koronavilkku» auf seinem Handy. Der Grund dafür führt zum nächsten Punkt.
Vertrauen in die Regierung
Während in Deutschland regelmässig Corona-Skeptiker auf die Strasse gehen und für Auseinandersetzungen mit der Polizei sorgen, gibt es einen solchen Widerstand in Finnland nicht. Denn das Vertrauen in die eigene Regierung ist gross. Massnahmen gegen das Coronavirus wurden besser angenommen und umgesetzt.
Isolation und Abstand werden eingehalten
Sicher auch, weil viele Finnen gut mit dem Lockdown klarkamen. Zu Hause bleiben, Abstand halten. Für viele Schweizer ein massiver Einschnitt. Nicht so für Menschen in Finnland. Generell halten Finnen mehr Abstand als anderswo. Auch die Isolation war für sie kein Problem. Im Gegenteil: Über 20 Prozent gaben sogar an, dass der Lockdown ihr Leben verbessert hätte. «Wir sind nicht so gesellig und gern allein», erklärte Nelli Hankonen, Sozialpsychologin an der Universität Helsinki, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP das Lockdown-Phänomen.
Der geografische Vorteil
Finnland ist mit Blick auf die Fläche zwar ungefähr so gross wie Deutschland, mit 5,5 Millionen Einwohnern leben dort aber weniger als etwa in der Schweiz mit mehr als 8 Millionen Menschen. Das Land ist also recht dünn besiedelt. Es gibt zwar Grossstädte wie die Hauptstadt Helsinki mit über 600'000 Einwohnern, wo das Virus stärker grassierte als auf dem Land. Dort gab es aber auch strengere Corona-Auflagen. Rund um Helsinki haben die Infektionen zuletzt zugenommen, weshalb die Hauptstadtregion bereits in den vergangenen Tagen eine Reihe von Beschränkungen erlassen hatte: Die Teilnehmerzahl von öffentlichen Veranstaltungen in Innenräumen ist seit Montag auf maximal 20 Personen begrenzt worden. Bei privaten Veranstaltungen dürfen seitdem nicht mehr als zehn Gäste dabei sein.
Die Stadt Helsinki und ihre Nachbargemeinden Espoo und Vantaa wollen mit weiteren Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorgehen. Schwimmbäder, Büchereien, Eislaufbahnen und weitere öffentliche Einrichtungen sollten geschlossen, öffentliche Veranstaltungen untersagt werden.Grundschulen bleiben offen, weiterführende Schulen sollen aber auf Fernunterricht umstellen.
Geschlossene Grenzen
Die Grenzen von Finnland sind seit Ende September wieder dicht. Touristen dürfen überhaupt nicht ins Land. Nur Ausnahmen dürfen die Grenze passieren. Wer ins Land gelassen wird, muss für 10 Tage in Quarantäne. Es sei denn, dass zwei negative Corona-Tests vorgewiesen werden können. Anders sieht es da zum Beispiel hierzulande aus. Die Schweiz hat ihre Grenzen nach dem Lockdown im Frühjahr geöffnet. (jmh)