Schon seit vielen Jahren setzt Russland das Raketensystem Iskander-M ein. Von einem Fahrzeug aus können so Raketen abgefeuert werden, die bis zu 2100 Meter pro Sekunde schnell werden. Sie reichen zudem mindestens 500 Kilometer weit und können ihr Ziel ändern, noch während sie in der Luft sind. Die Raketen sind somit unberechenbar.
Auch in der Ukraine setzen die russischen Streitkräfte die Iskander-M-Raketen ein, wie der «Spiegel» berichtet. Nur mit Mühe kann die ukrainische Luftabwehr die Raketen neutralisieren. Und als wäre das noch nicht genug, haben die Russen ihre Raketen jetzt scheinbar noch gefährlicher gemacht. Am Einschlagort der russischen Geschosse wurden nämlich orangefarbene Flugkörper gefunden, die nicht explodiert sind.
Täuschkörper mit Wärmequelle ausgerüstet
Was sich zunächst ungefährlich anhört, dürfte aber eine entscheidende Rolle spielen. Denn wie anonyme US-Geheimdienstexperten gegenüber der «New York Times» erklären, dürfte es sich bei der unbekannten Munition um sogenannte Täuschkörper handeln. Mithilfe von diesen sollen die russischen Raketen jetzt die ukrainische Luftabwehr austricksen können.
Dies erfolgt unter anderem durch störende Funksignale und irritierende Radarechos. Zudem haben die Täuschkörper eine Wärmequelle, mit welcher sie die anfliegenden Abwehrraketen in die Irre leiten können. Severin Pleyer, Sicherheitsexperte am German Institute for Defence and Strategic Studies, erklärt gegenüber dem «Spiegel»: «Es geht darum, das Radar zu verwirren, sodass es das falsche Ziel aufnimmt.»
Nato kann mit Russlands Raketen «nicht Schritt halten»
Laut Einschätzungen von mehreren Experten kann eine Iskander-Rakete wohl bis zu sechs solcher Täuschkörper mitnehmen. Das von der Ukraine verwendete BUK-M-Luftabwehrsystem kann zeitgleich bis zu 80 Radarziele verfolgen, und vier davon aktiv bekämpfen. Die Iskander-Raketen werden allerdings in Salven von fünf bis sechs verschossen. Wenn jede Rakete dann noch mehrere Täuschkörper an Bord habe, könnten nicht alle Sprengköpfe zerstört werden, erklärt Pleyer.
Im Westen werden die neuartigen Flugkörper jetzt untersucht. Aber die Experten sind sich bereits jetzt einig: Auch wenn man mehr über die russische Täuschtechnik erfahren sollte, wird die Raketenabwehr der Nato-Länder Probleme mit den überarbeiteten Iskander-Raketen haben.
Erst im letzten Jahr untersuchte das Royal Services Institute in London bereits die Effektivität der Nato-Luftabwehr gegen Russland. Und schon damals kam man zum Schluss, dass die Allianz «nicht Schritt gehalten» hat und sogar eine «Glaubwürdigkeitslücke» der Nato-Verteidigung besteht. (obf)