Lucia und ihre Kolleginnen kommen nicht nach. Kaum haben sie ein Fach nachgefüllt, ist es auch schon wieder leer. «Seit dem Wochenende gibt es regelrechte Überfälle auf unseren Laden», sagt die Verkäuferin einer Ipercoop-Filiale in Turin gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Die Kunden würden wie im Wahn die Einkaufswagen vollstopfen. «Am meisten gekauft werden Pasta, Mehl und Salz», so Lucia weiter, «obwohl unsere Lager voll sind und ja gar keine Mangelware herrscht.»
Auch in der Unicoop von Florenz staunt das Personal. Es sei zu «wilden Hortungen» von Speiseölen, Mehl und Zucker gekommen, berichtet die Zeitung «il Tirreno». Nicht nur Privatkunden hätten die Regale leer gefegt, auch Vereine, Restaurants, Grossisten hätten sich zuhauf mit haltbaren Produkten eingedeckt.
Der Supermarkt zog die Notbremse. Seit dem 12. März ist der Pro-Kopf-Einkauf auf vier Packungen eines Produktes begrenzt. Mit ähnlichen Massnahmen ziehen auch die italienischen Filialen von Europin, Todis und Carrefour nach. Schilder an den Eingängen weisen daraufhin, was in welcher Menge noch gekauft werden darf.
Supermärkte ziehen die Notbremse
Um Hamsterkäufe zu vermeiden, limitierte auch die Supermarkt-Kette Esselunga den Verkauf von Sonnenblumenöl auf zwei oder drei Flaschen pro Kassenbon. Neben dem Speiseöl seien auch Pasta und Tomatendose der Renner.
Selbst im Grenzgebiet zum Tessin spielen sich ähnliche Szenen ab. «Besonders am Sonntag überfluten Schweizer unseren Supermarkt und kaufen haufenweise Pasta, Mehl und andere haltbare Ware», sagt ein Tigros-Mitarbeiter in Ponte Tresa zu Blick. Seine Vermutung: «Der Franken ist stark, unsere Produkte sind billiger als in der Schweiz. Zudem kaufen viele auch für Hilfskonvois an die Ukraine ein.»
Doch es ist wohl auch die Angst vor Lebensmittelengpässen. Ukraine und Russland gelten als die Kornkammern Europas. Ein grosser Teil des Getreides ist für den italienischen Markt bestimmt. Nun erklärten die Kriegsparteien Exportstopps. Weizen, Gerste, Roggen werden in der Krise für den Eigenbedarf gebunkert.
Transportunternehmen drohen mit Streiks wegen hoher Spritpreise
Hinzu kommt die Preisexplosion für Treibstoff. Transportunternehmen drohen mit Streik oder legen teilweise schon die Arbeit nieder. So sorgte ein verärgerter LKW-Fahrer über Whatsapp in Sardinien für Panik. Er kündigte ab dem 14. März einen zweiwöchigen Streik seiner Branche an. Daraufhin stürmten die Sarden ihre Läden. Im Nu waren Pasta, Mehl, H-Milch, Mineralwasser und Speiseöl ausverkauft.
Tatsächlich ist Italien auf Importe angewiesen. Es produziert nur 36 Prozent des Weizens, das das Land konsumiert, 53 Prozent des Mais und 56 Prozent des Hartweizens. Gerade letzteres ist aber so wichtig für die Pasta-Produktion. Die Not trifft auch das Futter fürs Vieh. «Wir riskieren die Ernährung von 8,5 Mio. Schweinen, 6,4 Mio. Rindern und über 6 Mio. Schafen», warnt Ettore Prandini (49), Präsident der Coldiretti, dem grössten Landwirtschaftsverbandes Italiens.
Seit dem 11. März arbeitet die italienische Regierung unterdessen an einem Krisenplan. Rom erwägt eine Preisbremse für Benzin und Diesel sowie Hilfen an Familien für ihre Gas- und Stromrechnungen.