Die Trump-Regierung spielt weiterhin auf Vogel-Strauss-Politik. Der abgewählte Präsident Donald Trump (74) hat sich in der Woche seit der Wahl hauptsächlich mit Golfen und Twitter beschäftigt. Jetzt hat auch sein Aussenminister Mike Pompeo (56) mit Äusserungen überrascht, als lebe er auf einem anderen Planeten. «Es wird einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung geben», sagte Pompeo am Dienstag vor Journalisten. «Wir sind bereit.» Dies, während die amtierende Regierung Wahlsieger Joe Biden (77) die gesetzlich vorgesehene Unterstützung bei der Übernahme der Amtsgeschäfte verweigert.
Gefragt, ob sich sein Ministerium auf die Machtübergabe an den designierten Präsidenten Joe Biden (77) und dessen Team vorbereite, wirkte Pompeo irritiert. Es sei wichtig, antwortete Pompeo, dass «jede legale Stimme» gezählt werde – und wiederholte wie Vizepräsident Mike Pence (61) und First Lady Melania (50) das neue Trump-Mantra: «Wenn der Prozess abgeschlossen ist, werden die Wahlmänner ausgewählt», so Pompeo. «Es gibt einen Prozess. Die Verfassung legt es ziemlich klar fest.»
Trump und seine Leute scheinen an ein Wunder zu glauben. Die Wahrheit werde ans Licht kommen. Sie alle seien Opfer von Betrug, Korruption, Verschwörung. Der mächtigste Mann der Welt mit Schwächen wie ein Kleinkind. Trumps innerster Kreisl – Pompeo tönt es an – scheint dabei Hoffnungen auf Dezember zu setzen, wenn die Wahlmänner und -frauen ihre versiegelten Couverts mit den Elektorenstimmen abgeben.
Coup von Wahlmännern?
Am 14. Dezember werfen die Elektoren ihre Stimmen ein, am 6. Januar werden diese vor beiden Kammern ausgezählt und die Wahlsieger verkündet. Nicht in allen Bundesstaaten ist vorgeschrieben, dass sich die Vertreter im Wahlkollegium auch an das Wahlergebnis in ihrem Staat halten. Der Supreme Court hat zwar im Juli entschieden, dass die Wahlleute nicht nach ihrem Gewissen entscheiden können, sondern sich an das Wahlergebnis in ihrem Bundesstaat zu halten haben. Auf Zuwiderhandlung droht Strafe. Doch die Gesetzeslage lässt Interpretationen offen. Die Verfassung und Gesetze von Bundesstaaten schweigen zu diesem Thema. Bloss einzelne Staaten haben Gesetze verabschiedet, die ihren Elektoren vorschreiben, wie verpflichtet abzustimmen.
Bei den 58 Präsidentschaftswahlen in der Geschichte der USA sind bislang mehr als 23'000 Stimmen von Wahlleuten ausgezählt worden. In nur 90 Fällen hatten Wahlmänner eine «abweichende» Stimmen abgegeben, wie «USA Today» berichtet. Nur in einem Fall, im fernen Jahr 1796, sei das Rennen knapp gewesen, doch auch der Abweichler habe den Wahlausgang nicht kippen können.
Interessanterweise gab es bei den Wahlen 2016 nach dem Sieg von Trump eine ungewöhnlich hohe Zahl von Abweichlern. Zehn Wahlleute waren illoyal oder versuchten es zu sein. Acht davon waren Demokraten, zwei Republikaner. Damals kam es auch zu einer Bewegung im Land für diese Rebellen. Sie sollen das Recht haben, nach eigenem Gutdünken entscheiden zu können. Ein solcher Coup von Wahlleuten, dies scheint die letzte Hoffnung des Trump-Clans zu bleiben. Doch auch diese Hoffnung ist illusorisch. Die Siegerpartei schickt ihre Wahlleute, rund 70 gehörten gekippt.
«Keine Beweise für diese Behauptungen»
Soweit setzten Trump-Anwälte und weitere Republikaner auf eine Klagewelle. Seit dem Wahltag haben sie eine Flut von Klagen in den Schlüsselstaaten eingereicht. Die scheinen jedoch vorab als Vorwand zu dienen, um sagen zu können, dass das Rennen in diesen wichtigen Bundesstaaten noch immer nicht entschieden sei.
Trump hat zwar «absolut schockierende» Enthüllungen in Aussicht gestellt. Laut US-Medienberichten sind die meisten dieser Klagen unbegründet. Selbst wenn sie erfolgreich wären, würden sie nicht ausreichen, um Wahlergebnisse zu kippen. Richter haben bereits mehrere Klagen abgewiesen und darauf hingewiesen, die Kläger hätten es versäumt, Beweise vorzulegen, um die Betrugsvorwürfe zu untermauern.
So kann die Trump-Kampagne nicht beweisen, dass eigene Leute beim Auszählen in Pennsylvania ausgeschlossen gewesen seien. Es gab einen 24/7-Livestream. In Arizona sollen Wähler zur Wahlabgabe dicke Filzstifte benutzt haben, deren Farbe durchs Papier drückte und Auszählmaschinen verwirrt haben soll. Die Richter winken ab. Und in Michigans Auszählprozess habe es an Transparenz gemangelt. Auch hier lassen sich Richter nicht überzeugen. «Es gibt keine Beweise für diese Behauptungen», sagte Timothy Kenny, vorsitzender Richter in Michigans Wayne County.
«Politisches Theater»
Eine Amtsübernahme des gewählten US-Präsidenten Joe Biden kann nach Ansicht seiner Rechtsberater auch mit einer juristischen Schlacht nicht verhindert werden. Das Team Bidens sei darauf vorbereitet, dass die Republikanische Partei von Amtsinhaber Trump weiter versuchen werde, mit Klagen «für Verwirrung zu sorgen», sagte die Leiterin von Bidens juristischem Team, Dana Remus, auf einer Pressekonferenz am Dienstag. «Am Ende des Tages haben sie keine Beweise und werden keine Chance haben.»
Auch die Neuauszählung von Stimmen in einzelnen Staaten werde nichts am Wahlsieg für Biden ändern, sagte Bidens Berater Bob Bauer (59), der schon Präsident Barack Obama (59) als Berater zur Seite gestanden hatte. Bei allen bisherigen Neuauszählungen seit 2000 habe es lediglich Veränderungen im Umfang von maximal einigen Hundert Stimmen gegeben.
Bei den juristischen Vorstössen der Republikaner handle es sich um aussichtslose Manöver und «politisches Theater», so Bauer: «Unsere Beweismittel sind die vielen Menschen, die Biden gewählt haben - ihre Beweismittel existieren nicht.» (mit SDA)