Verteidigungsminister Mark Esper gefeuert
Trumps Schritte ins Chaos

In seinen letzten zwei Amtsmonaten könnte Trump noch immensen Schaden anrichten. Die Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper ist nur der Anfang.
Publiziert: 10.11.2020 um 16:57 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2021 um 11:20 Uhr
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Dieses war sein erster Streich: Trump feuerte den Pentagon-Chef.
Foto: DUKAS
Fabienne Kinzelmann

Nach der Wahl wird abgerechnet. Am Montag feuerte Donald Trump (74) seinen Verteidigungsminister Mark Esper (56) – fristlos. «Mark Esper ist entlassen», teilte der US-Präsident mit und dankte ihm für seinen Dienst.

Der Pentagon-Chef stand schon länger auf Trumps Abschussliste. Der Grund: Während Trump notfalls mit militärischer Gewalt gegen die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd vorgehen wollte, hatte sich Esper geweigert, Soldaten auf die Strasse zu schicken. Fehlt Trump nun ein wichtiges Korrektiv, falls es zu Unruhen kommt?

Nancy Pelosi (80), die demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, sieht in der Entlassung Espers eigenen Aussagen zufolge ein Zeichen dafür, dass Präsident Trump in den letzten Wochen seiner Amtszeit «Chaos säen» will. BLICK zeigt, wie der Noch-Präsident weiter vorgeht.

1. Top-Sicherheitsbeamte feuern

Wie der Radiosender NPR berichtete, feuerte Trump drei Tage nach der Wahl gleich drei Führungspersonen von zentralen Behörden: Lisa Gordon-Hagerty, Bonnie Glick und Neil Chatterjee waren unter anderem verantwortlich für die Überwachung von Atomwaffen, die Strom- und Erdgasversorgung und Auslandshilfen.

Auch CIA-Direktorin Gina Haspel (64) und FBI-Direktor Christopher Wray (53) stehen auf Trumps Abschussliste.

Wray hatte sich unter anderem geweigert, Trumps Verschwörungstheorien gegen Biden-Sohn Hunter (50) wegen dessen Geschäften in der Ukraine zu stützen und Ermittlungen einzuleiten. Zudem hatte Wray Trump öffentlich widersprochen nach dessen Behauptung, es gebe Betrug bei der Briefwahl.

Haspel hatte sich geweigert, Dokumente zu veröffentlichen, mit denen das Trump-Lager eine «Deep State»-Verschwörung beweisen will.

2. Wahlen anzweifeln

Trump hält weiter an seiner Behauptung fest, dass es systematischen Wahlbetrug gegeben habe. In einer Twitter-Tirade wiederholte er am Montag seine Betrugsvorwürfe für die Staaten Georgia, Nevada und Wisconsin.

Rückendeckung bekommt er von Justizminister William Barr (70). Der hatte auch bei den Russland-Untersuchungen fest hinter ihm gestanden – und erteilte Staatsanwälten laut US-Medien die Erlaubnis, Vorwürfe über Wahlbetrug noch vor der Bekanntgabe der Endergebnisse zu untersuchen. Solche Verfahren dürften aufgenommen werden, wenn es «klare und offenbar glaubwürdige Vorwürfe über Unregelmässigkeiten» gebe, die den Wahlausgang in einem Bundesstaat beeinflusst haben könnten, hiess es in dem Schreiben des Ministers an Staatsanwälte.

Der stellvertretende Gouverneur des Bundesstaates Georgia, der Republikaner Geoff Duncan (45), sagte am Montag im Fernsehsender CNN, ihm seien bisher keine nennenswerten Fälle von Wahlfälschung bekanntgeworden. Angesichts des knappen Ergebnisses ist ein Neuauszählung in Georgia sehr wahrscheinlich – der Unterschied beträgt aktuell 0,25 Prozentpunkte.

Der lokale Wahlchef, Staatssekretär Brad Raffensperger (65), meldete sich via Twitter. «Gab es illegale Stimmabgaben?», fragt Raffensperger. «Ich bin sicher, es gab.» Aber es sei unwahrscheinlich, dass sie ein Ausmass gehabt hätten, das ausgereicht hätte, damit Trump den Bundesstaat gewinnen könnte. Aktuell hat Biden dort 12'000 Stimmen Vorsprung.

3. Aufhetzen seiner Basis

Trumps Fans fühlen sich schon jetzt betrogen. Osama-Nichte Noor bin Ladin (33) – die sich von Genf aus seit einigen Monaten fleissig in den US-Wahlkampf eingemischt hatte – etwa teilte auf Twitter Grafiken, die den Ergebnisstand in der Wahlnacht sowie nach Auszählung der meisten Stimmen zeigten. «Wir wachten auf, als Biden auf wundersame Weise Trump in jedem Staat überholte», schrieb sie vielsagend.

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Die Sorge ist gross, dass es im Zuge des Machtwechsels auch zu gewalttätigen Protesten kommt – oder gar zu einem Bürgerkrieg, wenn der Widerstand gegen den Wahlprozess in einen Widerstand gegen die Demokratie umschlägt. Donald Trump hetzt seine Basis bereits seit Monaten auf. Im ersten TV-Duell gegen Joe Biden (77) hatte Trump offen Sympathien mit der rechtsextremen Schlägertruppe «Proud Boys» bekundet.

Rund um die Corona-Krise und die Black-Lives-Matter-Proteste war es mehrfach zu Auftritten von Milizen gekommen. Landesweit gehen Erhebungen von etwa 300 Gruppen und rund 15'000 bis 20'000 Gewaltbereiten aus.

Bereits am Tag nach der Wahl versammelten sich 150 teilweise bewaffnete Trump-Unterstützer vor einem Wahlbüro in Arizona. Twitter löschte vergangene Woche das Konto von Trumps Ex-Chefstrategen Steve Bannon (66), nachdem dieser zur Enthauptung von Chef-Virologe Anthony Fauci (49) und FBI-Chef Christopher Wray aufgerufen hatte.

4. Militärische Gewalt

Kommt es wieder zu Protesten und mischen diesmal noch Milizen im grossen Stil mit, könnte der US-Präsident diesmal ernst machen und Soldaten auf die Strassen der US-Metropolen schicken.

Dafür muss er den «Insurrection Act» von 1807 aktivieren. Das Aufstandsgesetz erlaubt es dem US-Präsidenten, das Militär unter bestimmten Umständen im Inland einzusetzen. Umstritten ist, unter welchen Bedingungen Trump die Vollmacht dazu hat – theoretisch müsste er von der Regierung eines Bundesstaates dazu gebeten werden. Mit der Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper fehlt in jedem Fall ein wichtiges Korrektiv.

5. Geheimnisverrat

Mit der Entlassung seiner Top-Beamten schwächt Trump die Sicherheitsbehörden. Die kurz vor Amtsübergabe entlassenen Funktionäre erschweren die Amtsübergabe für die Biden-Regierung – auch wenn Biden Trumps Ex-Führungsriege grösstenteils selbst ersetzen wird.

Zugleich ist Trump ein attraktiver künftiger Partner für ausländische Mächte. Gut möglich, dass er sich für seine Abwahl «rächt», in dem er Regierungsgeheimnisse an andere Staaten verkauft – dieses düstere Szenario malt Garrett M. Graff (39), Historiker und Direktor der Cyber Initiatives am Aspen Institute, in einer Analyse für «Politico». Zu Trumps wertvollem Wissen gehören nicht nur Informationen über US-Geheimdienste und Waffenprogramme, sondern auch über Personen. Etwa in der US-Regierung oder von Staatsführern in der ganzen Welt.

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