Seit dem Raketenangriff der Hamas auf Israel ist im Nahen Osten ein blutiger Krieg entfacht. Über 2600 Menschen wurden im Gazastreifen getötet. Mindestens 700 von ihnen waren Kinder. In Israel kamen 1400 Menschen ums Leben. Ein Ende des Blutvergiessens ist aber noch lange nicht in Sicht.
Am Freitag drohte der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu (73): «Das ist erst der Anfang. Unsere Feinde haben erst begonnen, den Preis zu zahlen. Wir werden die Hamas zerstören.» Während bislang aus der Luft gegen die Hamas vorgegangen wurde, soll schon bald eine Bodenoffensive starten.
Israel rief am Freitag rund 1,1 Millionen Menschen aus dem Gazastreifen dazu auf, sich innerhalb von 24 Stunden vom Norden in den Süden zu begeben. Am Sonntag bekamen die Zivilisten dann erneut ein Zeitfenster zur Evakuierung. Anschliessend rechneten Experten mit der grossen Bodenoffensive. Doch bislang blieb sie aus.
Das wirft viele Fragen auf. Wieso gab die Armee der Bevölkerung zunächst nur wenige Stunden zur Evakuierung, wenn danach nichts passierte? Experten sind sich uneinig, wieso die israelischen Verteidigungskräfte sich Zeit lassen. Möglich ist, dass Israel den Gaza-Zivilisten wegen des internationalen Drucks mehr Zeit zur Evakuierung geben wollte. Ebenso ist möglich, dass die Verzögerung taktische Gründe hat.
«Zivilisten zu schützen, hat für die israelische Armee eine Priorität»
Die «New York Times» berichtete am Sonntag, Israel habe die Offensive wegen des schlechten Wetters verschoben. Dabei bezieht sich das Onlineportal auf die Aussagen von drei hochrangigen, namentlich nicht genannten, israelischen Offizieren.
Gegenüber T-Online verneinte der Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar (46) dies. Er sagte: «Ich weiss nicht, woher die ‹New York Times› ihre Information hat, aber ich kann die Verschiebung der Offensive nicht bestätigen.» Auf das Wetter wollte er nicht genauer eingehen. Stattdessen sagte Shalicar: «Zivilisten zu schützen, hat für die israelische Armee eine Priorität. Daher haben wir sie auch klar dazu aufgefordert, dass sie nach Süden gehen.»
Auch wenn Shalicar das Abwarten auf besseres Wetter nicht bestätigt, spielt die Verzögerung den Israelis in die Hände. Denn: Sonntagabend waren dichte Wolken, Gewitter und Regen prognostiziert. Ebenso grau soll es am Montag bleiben. Erst ab Freitag soll es dann konstant sonnig werden. Dies wäre für eine Bodenoffensive ideal.
Luftüberwachung essenzieller Schutz für die israelische Armee
Denn ein Bodenkampf birgt für Israel ein grosses Risiko. Die Hamas-Kämpfer sind durch ein gigantisches Tunnelsystem gut im Gazastreifen vernetzt. Es wird angenommen, dass sie sich dort mit Waffen und Geiseln verschanzen. So können sie aus dem Hinterhalt angreifen und unbemerkt von einem Ort zum anderen gelangen. Ebenso wird erwartet, dass Heckenschützen versuchen werden, die israelischen Soldaten aus Verstecken zu attackieren.
Um sich vor diesen Angriffen zu schützen, ist eine Überwachung aus der Luft für die israelischen Truppen essenziell. Satellitenbilder und Live-Drohnenaufnahmen könnten ihnen helfen, Überraschungsangriffe der Hamas zu vermeiden und rechtzeitig zu verhindern. Ebenso könnten sie die Truppen dabei unterstützen, Tunneleingänge aufzuspüren und Geiseln zu lokalisieren. Selbst wenn das Wetter nicht der ausschlaggebende Punkt für die Verzögerung ist, so sind die Verhältnisse aktuell alles andere als ideal für eine Offensive der Israelis. (mrs)