Alles von der Ukraine inszeniert?
Wegen diesem Bild drehen Verschwörungstheoretiker durch

Russland feuerte am Montag mehrere Raketen auf Kiew ab. Dabei wurde auch das Kinderspital getroffen. Aufnahmen zeigen den Horror, den die Ukrainer erleben. Trotzdem wittern Verschwörungstheoretiker, dass hinter dem Angriff eine Inszenierung steckt.
Publiziert: 11.07.2024 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2024 um 13:05 Uhr
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Dramatische Szenen nach der Raketen-Attacke auf das Kinderspital Ochmatdyt in Kiew.
Foto: x

Das Bild ging um die Welt. Dutzende Freiwillige, Ärzte und Rettungskräfte suchen verzweifelt in den Trümmern nach Überlebenden. Russland hatte am Montag Dutzende Raketen auf Kiew abgefeuert. Mindestens 24 Menschen wurden dabei getötet. Eine Rakete traf das Ochmatdyt-Kinderspital. Zwei Krankenpfleger wurden getötet und sieben weitere Menschen verletzt, darunter auch Kinder.

Das zehnstöckige Spital, die grösste medizinische Einrichtung für Kinder in der Ukraine, versorgte zum Zeitpunkt des Angriffs nach Angaben des Gesundheitsministers des Landes 627 Patientinnen und Patienten.

«Das Gebäude, in dem wir die Dialyse für Kinder mit Nierenversagen oder akuten Vergiftungen durchführten, ist völlig zerstört», sagte der Generaldirektor des Krankenhauses Wolodimir Schownir zu Reportern und schätzte den Gesamtschaden auf 2,5 Millionen Dollar.

Verräterischer Blutfleck soll Fake enttarnen

Der Angriff auf das Kinderspital sorgte weltweit für Entsetzen. Das französische Aussenministerium erklärte, der «direkte und absichtliche» Angriff auf das Spital könne «der Liste der Kriegsverbrechen» zugefügt werden, für die sich Russland werde verantworten müssen. Auch der neue britische Aussenminister David Lammy (51) forderte, die Verantwortlichen für den «illegalen» Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin (71) müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Doch so brutal und furchtbar das Bild nach der Kinderspital-Attacke den Schrecken des Kriegs verdeutlicht: Für einige Verschwörungstheoretiker gibt es Zweifel. Sie glauben: Es gab gar keinen Angriff. Keine russische Rakete. Das alles soll inszeniert sein, um der Welt zu zeigen, wie gnadenlos Russland ist.

Dabei gibt es zwei Theorien: Einmal wird behauptet, dass das Bild mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt worden sei. Das andere Mal heisst es, dass die Personen auf dem Bild Schauspieler seien. Alles bloss Theater. Besonders im Fokus: ein Mann in weisser OP-Kleidung mit einem grossen Blutfleck. Wieso hat er einen grossen Blutfleck am Rücken, wird gefragt. Die Antwort: Der «Schauspieler» habe einen Fehler gemacht und das Hemd falsch angezogen. Denn seine Hose ist blütenweiss, das Hemd aber nicht. Wie kann das sein?

«Ich muss über den Tisch geflogen sein»

Fakt ist: Bei dem Mann handelt es sich um den Kinderchirurgen Oleh Holubchenko. Sein Spezialgebiet: Kiefer- und Gesichtschirurgie. Insbesondere die Korrektur von Gaumenspalten.

Als die Rakete das Spital traf, war er mitten in einer Operation. Sein Patient: Ein Baby mit einem angeborenen Defekt im Gesicht. Obwohl die Sirenen vom Bombenalarm zu hören waren, machten er und sein Team weiter. «Wir konnten nicht auf halbem Weg aufhören», sagt Holubchenko zur Nachrichtenagentur AP.

Woher kommt das Blut an seinem Rücken? Was genau passierte, als die Rakete einschlug, weiss er nicht mehr. Er kam zwei, drei Meter neben dem OP-Tisch wieder zu sich, nach dem er ohnmächtig war. «Ich muss über den Tisch geflogen sein.» Sein Chirurg-Kollege Ihor Kolodka zu AP: «Die meisten von uns wurden von Glasscherben getroffen. Ich wurde ins Gesicht getroffen. Mein Kollege Oleh Holubchenko hinten, weil er mit dem Rücken zum Fenster sass.»

Beweise für russische Rakete gefunden

Dass Oleh Holubchenko kein Schauspieler, sondern wirklich Arzt ist, zeigt ein Blick in seine Vergangenheit. Auf Instagram ist der Ukrainer schon lange aktiv und gibt Einblicke in seine Arbeit als Chirurg – weit vor dem Ukraine-Krieg. Weitere Aufnahmen nach dem Angriff auf das Spital zeigen, wie der Mediziner verzweifelt durch die Trümmer eilt, um zu helfen, wo er nur kann. Zudem ist auf den Bildern zu sehen, wie schwer das Spital zerstört wurde. Keine kleine Kulisse, sondern ein echtes Trümmerfeld. 

Russland dementiert bislang, hinter dem Angriff zu stecken. Stattdessen behauptete der Kreml, dass das Krankenhaus von Trümmern ukrainischer Luftabwehrraketen getroffen worden sei, was durch Bilder bewiesen werden könne. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU dagegen erklärte, es seien vor Ort «relevante Beweise, insbesondere Fragmente vom hinteren Teil einer Ch-101-Rakete» inklusive einer Seriennummer gefunden worden. Ch-101-Raketen stammen aus russischer Produktion.

UN verurteilt Angriff als «abscheulich»

Die Vereinten Nationen haben ebenfalls Russland im Verdacht. Es sei «sehr wahrscheinlich», dass die Klinik «direkt» von einer russischen Rakete getroffen worden sei, sagte die Leiterin der UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine, Danielle Bell. Es handele sich um «einen der ungeheuerlichsten Angriffe» seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022.

Zuvor hatte bereits UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk (59) den Angriff auf die Kinderklinik als «abscheulich» verurteilt. «Unter den Opfern waren die kränksten Kinder der Ukraine.»

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