Die russische Armee rückt weiter vor. Erst am Mittwoch vermeldete das russische Verteidigungsministerium, dass die Truppen einen Bezirk der strategisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen haben. Die Ukrainer versuchen derweil, dagegenzuhalten. Doch Putins Truppen greifen in Wellen an. Immer wieder stürmen sie auf die Ukrainer zu.
«Die Russen setzen diese Einheiten in den meisten Fällen nur ein, um zu sehen, wo sich unsere Schiessanlagen befinden, und um unsere Einheiten ständig zu erschöpfen», sagt der ukrainische Oberstleutnant Anton Bayew zu BBC.
Wellen, die ohne Ende vernichtet werden
Diese Taktik hat zu erheblichen russischen Verlusten geführt, seit Moskau vor zwei Monaten seine jüngste Offensive gestartet hat. Im Mai und Juni wurden täglich etwa 1200 russische Soldaten getötet oder verwundet.
Die Angriffsmethode hat deswegen von der Ukraine-Armee auch einen besonderen Namen bekommen: Sie nennen sie Fleischangriffe. Die russischen Soldaten sind nicht mehr als Kanonenfutter. Oberstleutnant Bayew: «Ihre Hauptaufgabe besteht einfach darin, Fleischangriffe durchzuführen und uns völlig zu erschöpfen.»
Die ständigen Angriffe zermürben die Ukrainer. «Unsere Leute stehen in den Stellungen und kämpfen, und wenn vier oder fünf Wellen des Feindes an einem Tag auf dich zukommen, die du ohne Ende vernichten musst, ist das sehr schwierig – nicht nur physisch, sondern auch psychisch», so der Oberstleutnant.
«Zentimeter für Zentimeter, Zentimeter für Zentimeter»
Die Erfahrung hat auch Hauptmann Iwan Sekach von der ukrainischen 110. Brigade gemacht. Wie am Fliessband würden die Russen in den Tod laufen – und damit ihren zahlenmässig überlegenen Vorteil eiskalt ausnutzen. Um für Nachschub zu sorgen, schickt Russland mittlerweile unerfahrene Männer und ehemalige Häftlinge an die Front.
Die Ukraine kann dagegen nicht mithalten. Das Land ist kleiner als Russland und versucht, mit den wenigen Mitteln und Kräften gegen die Angriffswellen der Russen zu halten. Doch nach und nach können Putins Truppen Gebiete erobern. «Leider gibt es viele Russen. Und sie versuchen, diese rollende Operation Zentimeter für Zentimeter durchzuführen, 100 Meter pro Tag, 200 Meter pro Tag. Und leider sind sie damit erfolgreich», sagt Ivan Stupak, ein ehemaliger Offizier des Sicherheitsdienstes. Darum brauche es dringend weitere Unterstützung aus dem Westen. Waffen und Munition, um gegen die russische Übermacht anzukommen.
Trotz allem geben die Ukrainer nicht auf. Oberstleutnant Anton Bayew: «Die Jungs halten durch. Wir halten alle durch. Es ist schwer, aber jeder weiss, wie hoch der Preis ist und warum das alles getan wird.»