Plötzlich war alles weg. 2016 stehen Kunden der Kryptobörse Bitfinex in Hongkong vor einem Rätsel. Ihr gesamtes Vermögen, meist in Bitcoins angelegt, war verschwunden. Krypto-Währungen im heutigen Gesamtwert von ungefähr 4,5 Milliarden Dollar, umgerechnet etwa 4,2 Milliarden Franken, sind einfach weg. Das Bild der angeblich so sicheren Währung bekam plötzlich Risse.
Sechs Jahre später kann die Tat endlich aufgeklärt werden. Am Dienstag klicken die Handschellen. Allerdings verhaften die Ermittler nicht etwa Dutzende Hacker aus verschiedenen Ländern, sondern ein Ehepaar aus New York. Ilya «Dutch» Lichtenstein und Heather «Razzlekhan» Morgan. Sie bezeichnen sich selbst als «Techunternehmer, Programmierer und Investoren». Sie wurden beim Versuch erwischt, das geklaute Geld zu waschen.
Heiratsantrag am Times Square
Laut einem Bericht der «New York Times» gaben sich die beiden im Internet zuerst unauffällig. Nach und nach teilten sie aber ihren exzessiven Lebensstil in den sozialen Medien. Die beiden lebten in einem luxuriösen Appartement mitten in Manhattan. Eine Monatsmiete beträgt hier mindestens 4500 Franken, meist sogar deutlich mehr.
Heather Morgan drehte immer weiter auf, sie genoss den luxuriösen Lebensstil sichtlich. Sie veröffentlichte Texte im US-Magazin «Forbes» und versuchte sich unter dem Pseudonym «Razzlekhan» als Rapperin. Und machte in einem ihrer Texte keinen Hehl daraus, hinter dem Mega-Hack zu stecken. So lautet eine Stelle: «Ich klaue mir dein Passwort und transferiere alle deine Gelder.»
Ihre neuen Songs bewarb sie mit riesigen Werbeplakaten an stark frequentierten Orten. Der Erfolg hielt sich aber in Grenzen. Auf Facebook folgen ihr gerade einmal 120 Personen.
2019 folgte dann der Höhepunkt. In einer gigantischen Kampagne machte Ilya seiner Heather einen Heiratsantrag – selbstverständlich publikumswirksam. Auf einem Werbeplakat auf dem Times Square hielt der Tech-Unternehmer um die Hand seiner Geliebten an.
Mit den Bitcoins kaufen sie Walmart-Gutscheine
Selbst bezeichnet sich Morgan gerne als «Krokodil der Wall Street». Eine Anspielung auf den Film «The Wolf of Wall Street», in dem die Geschichte eines Börsenmaklers und dessen exzessiven Lebensstil erzählt wird. Auf Tiktok gab die selbsternannte Unternehmensberaterin zudem Tipps für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäfts. Eines ihrer Videos trägt den Titel: «Wie ich ohne finanzielle Unterstützung von aussen ein Millionen-Unternehmen in meinen 20ern aufgebaut habe.»
In den sozialen Netzwerken ist die Schadenfreude über die Verhaftung des Paares gross. «Sie behaupten, sie hätten ohne finanzielle Unterstützung riesige Unternehmen in wenigen Monaten oder Jahren aufgebaut. Natürlich braucht es keine finanzielle Unterstützung, wenn man sich das Geld einfach zusammengeklaut hat», heisst es etwa in einem Kommentar auf Facebook.
Laut den Ermittlern versuchten das Duo, das gestohlene Geld zu waschen. So kauften sie sich etwa Gutscheine für die US-Ladenkette Walmart. Geschnappt wurden Lichtenstein und seine Frau offenbar, weil sie die Zugangsdaten für die virtuellen Wallets mit dem gestohlenen Geld drauf in einem Cloud-Speicher hinterlegten. Dort erlangten die Ermittler mit einer richterlichen Verfügung Zugriff und konnten so Spuren sichern.
Laut der «New York Times» drohen dem einstigen Glamour-Paar mit dem Protz-Lebensstil einige wenig publikumswirksame Jahre hinter Gittern. Wegen Verschwörung und Geldwäsche drohen ihnen bis zu 20 Jahre Gefängnis. (zis)