In Warschau fahren die Panzer auf. Am Dienstag feiert das Land den Sieg über die Rote Armee, den es 1920 errungen hat. Dieses Jahr hat der Gedenktag eine besondere Bedeutung: Er ist ein Warnsignal an den Kreml, nachdem schätzungsweise 6500 russische Wagner-Söldner in Belarus Stellung bezogen haben und man Angriffe auf Nato-Einrichtungen befürchtet.
Polen hat in den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet. So wurden in den USA moderne F-35-Kampfjets – jene, die auch die Schweiz bestellt hat – sowie Abrams-Panzer gekauft. Zurzeit installieren die Polen ein Patriot-Luftabwehrsystem. Das polnische Verteidigungsministerium twitterte: «Wir werden 200 Militäreinheiten und 92 Flugzeuge in Begleitung von 2000 Soldaten präsentieren.»
Am 9. Mai hatte auch der russische Präsident Wladimir Putin (70) zum Jahrestag über den Sieg über Nazi-Deutschland eine Militärparade veranstaltet. Wegen des Krieges in der Ukraine und der massiven Verluste war auf dem Roten Platz in Moskau nur gerade ein einziger Panzer aufgefahren.
Wagner-Söldner als Migranten?
Die polnische Regierung hat zudem angekündigt, 10'000 Soldaten an die Grenze zu entsenden. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (55) warnte davor, dass die Wagner-Truppen die Suwalki-Lücke, der Korridor, der Russland mit seiner Exklave Kaliningrad verbindet, besetzen und als Migranten getarnt in Polen eindringen könnten. Der rund 100 Kilometer lange Abschnitt liegt zwischen Polen und Litauen – er ist die Achillesferse zwischen der Nato sowie ihren drei Mitgliedern Estland, Lettland und Litauen.
Der ukrainische Befehlshaber Serhi Najew (53) sagte in einem Interview, dass sich die Wagner-Söldner auf gefährdete Grenzabschnitte konzentrieren und da die technische Überwachung ausschalten und ähnliche Operationen ausführen könnten.
Propaganda für die Wahlen
Die Militärparade, der Truppenaufmarsch und all die Warnungen haben auch eine innenpolitische Bedeutung. Denn am 15. Oktober stehen in Polen Parlamentswahlen an.
Die Warnungen Morawieckis seien nichts anders als Panikmache und eiskaltes politisches Kalkül. Zumindest behauptet das Donald Tusk (66), ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Anführer der Oppositionspartei Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform). Seine Partei kommt der regierenden nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Umfragen immer näher.
Innenpolitisch können die Polen in einem Monat zwischen einem liberalen Land und einem illiberalen Land unter der aktuellen Führung wählen. Aussenpolitisch aber haben beide Lager das gleiche Programm: sich den Feind aus dem Osten vom Leibe halten.