Der wohl friedlichste Krieg, den es je gab, ist zu Ende gegangen. Fast 50 Jahre lang stritten sich Dänemark und Kanada um die 1,25 Quadratkilometer kleine Hans-Insel, auf Dänisch Hans Ø, die zwischen Grönland und Kanada liegt.
Die Hans-Insel ist nach dem grönländischen Expeditionsteilnehmer Hans Hendrik (1832–1889) benannt, der zwischen 1853 und 1883 an fünf Arktisexpeditionen teilnahm. Auf Grönländisch und Inuktitut trägt die Insel den Namen Tartupaluk («Erscheinung einer Niere»).
Die beiden Staaten haben als Lösung entlang einer natürlichen Felsspalte eine Landesgrenze gezogen, welche die Insel in fast zwei gleich grosse Teile teilt.
So begann der «Whisky-Krieg»
Die unbewohnte Insel bei Grönland, das zum dänischen Königreich gehört, aber autonom ist, war 1973 bei einem Grenzabkommen ausgeklammert worden. Danach beanspruchten die Staaten den kargen 169 Meter hohen Felsen ohne bekannte Rohstoffe als ihr Eigentum.
Das führte einige Jahre lang zu einem kuriosen Ritual: Bei jeder Expedition auf die Insel etwa 1100 Kilometer südlich des Nordpols wurde die Flagge des jeweils anderen Landes entfernt und die eigene gehisst. Zugleich liess man dem anderen eine Flasche mit landestypischem Schnaps da: Der «Whisky-Krieg» war geboren.
Vertrag mit Schnaps besiegelt
Die Hans-Insel im hohen Norden zwischen Kanada und Grönland habe im vergangenen halben Jahrhundert 26 kanadische Aussenministerinnen und Aussenminister beschäftigt, sagte Kanadas Aussenministerin Mélanie Joly (43) diese Woche bei einer Zeremonie in Ottawa zusammen mit dem dänischen Aussenminister Jeppe Kofod (48) und dem grönländischen Premierminister Múte B. Egede (35). «Ich glaube, es war der freundlichste aller Kriege», sagte Aussenministerin Joly.
Nach der Unterzeichnung der Einigung tauschten die Vertreter beider Staaten zwei Flaschen Schnaps aus. Angesichts von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine betonte Kanadas Aussenministerin Joly die Bedeutung der friedlichen Einigung in einem Grenzstreit: «Wir wissen, dass wir diplomatisch zusammenarbeiten können, um Streitigkeiten auf der Grundlage von Regeln und Prinzipien beizulegen.»
Dänemarks Aussenminister Kofod ergänzte: «Diplomatie und Rechtsstaatlichkeit funktionieren tatsächlich.» So friedlich der Konflikt auch verlaufen sei, selbst diese Art von Kampf brauche ein Ende.
Kanada grenzt nun an Europa
Auch in Bern freut man sich über die Vertragsunterzeichnung. Auf Anfrage schreibt die kanadische Botschaft in der Schweiz: «Diese friedliche Beilegung eines Konflikts ist eine willkommene Nachricht, besonders in diesen Tagen.» Es könnte der Beginn einer noch engeren Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, Völkern und Kulturen sein.
Und die kanadische Botschaft verspricht: «Wir werden dafür sorgen, dass beim nächsten Besuch der dänischen Botschaft bei uns eine Flasche Whisky bereitsteht. Umgekehrt rechnen wir natürlich damit, dass ihre Delegation eine Flasche Aquavit mitnehmen wird.»
Mit der Aufteilung der Insel grenzt Kanada neu direkt an Europa. Schon witzelt man in Kanada, dass als nächster Schritt eine Teilnahme am Eurovision Song Contest angepeilt werden soll.