Ex-Mann tötet Frau und Schwiegereltern in Egerkingen SO – bei Nicole Dill werden Erinnerungen wach
«Mein Partner schoss mit der Armbrust auf mich und warf mich in den Kofferraum»

Nach dem Tötungsdelikt in Solothurn zeigt sich Nicole Dill (56) bestürzt. Sie hat 2007 einen brutalen Mordversuch durch ihren Ex-Partner überlebt. Sie sagt, dass die Schweiz viel zu wenig tue, um Opfer zu schützen.
Publiziert: 20.06.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2025 um 08:07 Uhr
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Nicole Dill überlebte 2007 knapp einen Mordversuch ihres damaligen Partners.
Foto: imago

Darum gehts

  • Nicole Dill überlebte schwere Gewalttat und kämpft für besseren Opferschutz
  • Bluttat in Egerkingen SO und Hägendorf SO sei geplant gewesen
  • 2025 wurden bisher 18 Frauen in der Schweiz getötet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alessandro PerucchiReporter News

Sie wollte ein Leben ohne ihren Partner – und sollte dafür sterben. Was Giulia M.* (†38) aus Egerkingen SO passiert ist, musste auch Nicole Dill (56) erleben. Aber die 56-Jährige hatte riesiges Glück: Sie überlebte den Tötungsversuch knapp. Ihr Lebenspartner brachte sie in seine Gewalt, entführte sie, versuchte, sie in der Garage zu vergasen, vergewaltigte sie. Dill weiter: «Mein Partner schoss mit der Armbrust auf mich und warf mich geknebelt in den Kofferraum». Die Ärzte im Schockraum hätten es nicht für möglich gehalten, dass sie noch lebe, sagt Dill.

Ihr Partner, der in U-Haft Selbstmord beging, war verurteilter Mörder und Sexualverbrecher mit hoher Rückfallgefahr. Doch sie erfuhr aufgrund des Täterschutzes nichts davon. Aus diesem Grund hat sie gegen den Kanton Luzern geklagt und bekam schliesslich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg (F) recht: Das Gericht sagte, dass Gewaltopfer in der Schweiz zu wenig geschützt werden.

Das sagt Dill zum Tötungsdelikt in Solothurn

«Schon wieder ein Femizid, einer zu viel!», sagt Dill zum Tötungsdelikt in Solothurn von dieser Woche. Ein Mann soll in Egerkingen SO seine Ex-Frau und in Hägendorf SO deren Eltern getötet haben. Dass der mutmassliche Täter an zwei Orten getötet hat, deutet für Dill auf eine geplante Tat hin. «Ein Muster von einem Wiederholungstäter!» Eigenartig sei jedoch, dass sich der mutmassliche Täter selbst der Polizei stellte.

«Jeder Femizid ist Täterschutz und nicht Opferschutz, und jeder Mitwisser macht sich zum Mittäter», führt Dill weiter aus. Was sie damit meint: Zumeist dreht sich alles um den Täter, die Behörden würden viel zu wenig machen. Nachdem Dill 2007 fast ermordet wurde, hat sich zwar einiges geändert. «Aber noch lange nicht genug!»

Die aktuellen Zahlen zu Tötungsdelikten an Frauen geben ihr recht: Im Jahr 2025 wurden bisher 18 Frauen in der Schweiz getötet. In den allermeisten Fällen durch ihren Partner oder Ex-Partner. Und praktisch immer ist der Täter schon vor der Tötung gewalttätig.

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«Ich kriegte lebenslänglich»

Für Frauen sei es daher lebenswichtig, Hilfe zu holen. «Vertraut nicht darauf, dass sich der Partner noch ändert», sagt Dill. Man solle sich auf das Bauchgefühl verlassen und eine begleitete Trennung einleiten. Und möglichst schnell zur Polizei und eine Anzeige erstatten. Nebst der Polizei könnten auch Opferberatungsstellen und Frauenhäuser helfen. Und nicht zuletzt Nicole Dill selbst: Sie hat die Anlaufstelle für Gewaltopfer Sprungtuch vor 14 Jahren gegründet – sie ist einzigartig, weil sie von ihr als Direktbetroffene geführt wird.

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Ganz verarbeitet hat sie die erlittene Gewalttat nicht – und wird das bestimmt auch nie. Das Erlebte hat Dill im Buch «Leben! – Wie ich ermordet wurde» niedergeschrieben. Doch sie sagt: «Ich kriegte lebenslänglich.» Denn sie wird für immer mit dem Geschehenen leben müssen. Und während Straftäter unterstützt würden, liesse man Opfer oft allein.

* Name geändert

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